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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Bredt, Ernst Wilhelm: Die Zukunft des Kunstgewerblers
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0094

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Dr. R. W. Brcdt:

carl weidemeyer—Worpswede. Holzschnitt »Mädchen

— Er sei nur Michelangelo, war seine ent-
rüstete Einrede.

Gewiß auf Visitenkarte und Kleidung gibt
man heute nicht mehr viel. Das Ganze ent-
scheidet — und Gefühl und Blick sind hier
sehr verschärft und gegen alles Auffallende
gerichtet.

Eine äußere Gleichstellung ist bei Aka-
demiker und Kunstgewerbler schon deshalb
gesichert. Aber dieser äußeren Gleichstellung
scheint die ideelle nicht gefolgt zu sein.

Sind vielleicht die Vorstudien der Schüler
beider Anstalten so grundverschieden?

Ganz und gar nicht. — Auf der Akademie
sind vermutlich ebensoviele Absolventen einer
Mittelschule wie auf der Kunstgewerbeschule.
Hier wie dort sind Schüler in großer Zahl
vorhanden die nicht durch Lateinkenntnisse

ihr Talent zur Kunst zu beweisen
vermöchten.

In gesellschaftlicher Beziehung
stehen also Akademiker und Kunst-
gewerbler sich — genau hingesehen
— doch auch gleich. — Wichtiger
ist aber, ob sie sich in künstle-
rischem Werte gleich stehen, noch
wichtiger, ob vielleicht der Kunst-
gewerbeschüler eine weniger gün-
stige Aussicht auf Erfolg im Leben,
d. h. im künstlerischen Berufe hat
als der Akademiker. Wohlgemerkt,
im gleichen Prozentsatz, wie im all-
gemeinen.

Nach diesem Resultate unserer
Erage ist ganz allein die Rangfrage
zwischen Kunstgewerbler und Aka-
demiker zu entscheiden. Denn nur
die Möglichkeit, ein höheres oder
geringeres Lebensziel erreichen zu
können, ist ausschlaggebend im
modernen Staat. — Denn das ist,
zwar vom Einzelnen dumm, aber
doch berechtigt, daß der Absolvent
eines Gymnasiums sich höher ein-
schätzt als der Absolvent einer
Realschule. Jenem stehen so viel
mehr Möglichkeiten einen Beruf zu
ergreifen offen als diesem.

Glücklicherweise sind unsere
künstlerischen Unterrichtsanstalten
noch nicht so weit — noch nicht
so kultur- und kunstfeindlich, daß
sie Aufnahme und Befähigung zum
künstlerischen Studium abhängig
machen von wissenschaftlichem Drill.
In beiden Unterrichtsanstalten herrscht
hierin Freiheit — also eine Gleichstellung ist
vorhanden, zunächst genießt also der Aka-
demiker kein tatsächliches Vorrecht.

Nun aber ist die Frage zu erörtern, leistete
der Akademiker bisher mehr im künstlerischen
Leben der Gegenwart als der Kunstgewerbler?

Die Antwort ist nicht leicht, denn hier
spielt die immer anfechtbare und nie wie ein
Rechenexempel zu beweisende Wertschätzung
der Künstler doch ein wichtiges Wort.

Haben von den besonders erfolgreichen
Künstlern der Gegenwart mehr eine Akademie
oder eine Kunstgewerbeschule besucht? Sind
nicht viele der erfolgreichsten Künstler der
Gegenwart gar nicht, andere von ihnen nur
vorübergehend auf der Akademie gewesen?
(Von Münchnern nenne ich kurz: Berlepsch-

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