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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Vogt, Adolf: Buntpapiere und Tapeten-Fabrikation
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0346

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Adolf Vogt:

O. PRUTSCHER—WIEN.

Briefkassette aus Thujaholz mit Ebenholz.
Ausführung: J. Bolck. Intarsiabild: Renny Geyling.

allzusehr darnach, die Merkmale der Technik
(die Spuren des Gravierens etc.) zu beseitigen
und die Zeichnung des Pinsels möglichst exakt
zu kopieren. —

In der Ausstellung sind alte Tunkpapiere
in ganz hervorragender Weise vertreten. Diese
Sorten sind zwar ein spezifisches Buchbinder-
erzeugnis und können nur einzeln mit der Hand
angefertigt werden. Trotjdem interessieren sie
uns hier: Einmal sind sie mit ihrem wunder-
baren Gestaltenreichtum auch für Tapetenzeichner
eine unerschöpfliche Fundgrube von Motiven und
Anregungen, und dann ist es auch nicht ausge-
schlossen, dag es der Tapetenfabrikation noch
einmal gelingt, diese Technik des Vertreibens
und Marmorierens sich dienstbar zu machen.
Der Buchbinder benütjt hierzu bekanntlich ein
flaches Becken mit einer schleimigen Masse aus
Wasser und isländischem Moos (oder Tragant-
gummi). Auf diesem Grund wird mittels eines
Pinsels Farbe aufgetropft, die mit Ochsengalle
oder einem anderen Treibmittel verseht ist. Die
Farben schwimmen auf der Oberfläche und
werden durch das Treibmittel mehr oder minder
stark auseinander- und gegeneinandergetrieben,
ohne sich zu vermischen. Durch mechanische

Eingriffe (mit Kämmen, Stiften) kann man die
schwimmenden Farben auch bestimmter mustern.

Nun legt der Handwerker auf die Farb-
schicht einen Bogen weißen Papiers, der die
Farben ansaugt; er hebt den Bogen schnell
wieder ab, läßt die überschüssige Flüssigkeit
abtropfen und trocknet hierauf das Papier. Jeder
Bogen muß einzeln getunkt werden, und keiner
gleicht völlig dem andern.

Zum ersten Male hat solche Tunkpapiere in
größerem Umfang für den Markt der Bankier
Alois Dessauer in Aschaffenburg 1808 herstellen
lassen und ist damit Begründer der dortigen
Buntpapierfabrikation geworden. Neuerdings hat
aber diese Technik auch eine künstlerische
Wiedergeburt erfahren, indem verschiedene
unserer Künstler sich mit ihr beschäftigt haben.
Besonders schöne Proben sieht man hier von
Otto Eckmann, Carl Ernst Poeschel—Leipzig,
Anker Kyster —Kopenhagen, Wilhelm Rauch-
Hamburg, Eduard Gabelsberger —Dießen, H. Och-
mann—Leipzig u. a. Eine eigenartige, farben-
frohe Note zeichnet die Arbeiten der „Wiener
Werkstätte" aus, in denen wieder auf die ein-
fachen Farben der Alten, Rot, Blau, Schwarz,
Gelb, zurückgegriffen wird. Neben Josef Hoff-

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