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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Schaukal, Richard: Vom ästhetischen Wesen der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0065

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Vom ästhetischen Wesen der Baukunst.

FROF. ALBIN MULLER. Blumenschale. Figur von M. L. Christ f.

Im Besitz des Grossherzogs von Hessen. Ausführung:
Sächsische Serpentinstein - Gesellschaft zu Züblitz.

herzige »Tendenz« (Barnutzen) verschränkt
sich der Afterprunksucht des Empor-
kömmlings.

Waren jene guten alten Gebäude Zei-
chen und Zeugen einer großlinigen Kultur
(auch die sichere Gesellschaftsordnung der
Vergangenheit war Kultur: gewordener
Ausdruck der Verhältnisse), sind unsre
schlechten neuen Verräter unsrer zer-
brochenen Zivilisation, dieses Trödellagers,
dieses Trümmerhaufens von zwecklosem
Detail.

Jene zwiefache Überwindung, die ich
das Wesen der Baukunst genannt habe,
setzt sich in eine fortlaufende Gleichung zum
essentiellen Gehalt aller Künste. Sie (wie
die Welt, soweit sie der Mensch nicht
schändet) sind, philosophisch betrachtet,
Probleme der Form. Die Form ist das
Ewige, das Sich- in sich selbst-Erhaltende.
Aber nur solche Form heißt mit Fug so,
die restlos aus ihren Faktoren sich ergibt.
Keine stumpfe Scheidung zwischen »Inhalt«
und »Form«. Im Symbol der Kugel drückt
sich das Prinzip der sich selbst erzeu-
genden Einheit aus (der »Mittelpunkt«
enthält sie).

Die Raumkunst aber lebt, wie die
Musik in den Intervallen, wie die Wort-
kunstinder Gewichtsverteilung der Worte, die
Malerei in der Beziehung der Farben, im
Verhältnis der Glieder zum Ganzen.
Sie ist tot, wenn dieses Verhältnis nicht von
sich selbst überzeugt. Alle unsre schlechten
Gebäude widerlegen sich selbst: man
muß zu unwesenhaften Zweckbegriffen
(außerhalb der Ästhetik der Architektur)
flüchten, will man sie — nicht verzeihen,
nur überhaupt als Existenzen konstatieren.
Masse und Perspektive sind die Maß-
stäbe, die Krücken zu einer Erkenntnis, die
viel »tiefer« als im »Zweck«, die im meta-
physischen Bedürfnis des Menschen begründet
ist. Beide, Masse und Perspektive (Distanz),
vereinzeln und vergesellschaften zugleich
das Gebäude. Trägt es ihnen Rechnung,
dann darf es sich unbefangen mitten in
die Natur stellen, wie mein liebes altes
Kloster von Gloggnitz. —

Vom Verfasser vorstehender Ausführungen ist vor kurzem
in unserem Verlage ein Werkchen erschienen, das überaus
günstig aufgenommen worden ist: »Die Mietwohnung, eine
Kulturfrage«. Glossen von Richard Schaukai. 60 Seiten mit
14 Illüstr. M 1.20. Kapitel: Zustand und Behelfe, Ausstattung,
»Neue« Hinrichtungen, Revolutions - Snobismus, Psychologie
des Mobiliars, Die »Moderne« Wohnung, Utopien, Nachwort.
 
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