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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Servaes, Franz: Über künstlerische Vision
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0069

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Ganzen. So aufgefaßt, wird
die Vision zum Kriterium für
die künstlerische Grundbe-
schaffenheit eines sogenannten
Kunstwerks. Wo die Vision
vorhanden ist, da ist eine ur-
sprünglich-künstlerische Schöp-
fung zu erkennen; wo sie uns
fehlt, da besteht in den Ur-
sprüngen ein Manko, und wenn
dieses auch durch Geschmack,
Können, dekoratives Arrange-
ment hinterher aufs künst-
lichste zugedeckt sein mag:
das elementarisch-künstlerische
Grunderlebnis fehlt und kann
niemals ersetzt werden. So
ist also die Vision für das
Kunstwerk gleichsam der Mo-
ment der Konzeption, jene ge-
heimnisvolle Empfängnis, wo
das Ganze mit allen seinen
Teilen, organisch und wohl-
ponderiert, als etwas durchaus
Einheitliches und Unzerreißbares
vor dem geistigen Auge auf-
taucht. Dieser eine Moment
aber ist für alles spätere ent-
scheidend. Unter der Voraus-
setzung freilich, daß die künst-
lerische Energie des Festhaltens
der Klarheit der ersten Erleuch-
tung entspricht. — Beim Be-
schauer wiederholt sich der Mo-
ment der künstlerischen Kon-
zeption in dem Moment des
ersten Hintretens vor ein Bild.
Alsdann verrät sich ihm das
Vorhandensein oder Nicht-
vorhandensein der Vision. Es
ist keineswegs nötig, daß der
Beschauer im ersten Moment
das Bild »versteht«, aber wenn
es eines ist, so kann es nicht
fehlen, daß er es mit einem
einzigen Blick blitzartig er-
schaut. Wie sich auch Urteil
und Verständnis später stellen
mögen, der sinnliche Eindruck
des Ganzen muß im Nu fertig
sein. Schwerpunkt, Verhältnis
der Teile, Akzente der Linien
und der Farben müssen sich

Professor Ernst Riegel-Darm Stadt.
Silberner Pokal.
 
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