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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Diez, Hermann: Das Buch im Privat-Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0096

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Das Buch im Privathause.

thek jenes Modebuch bis-
her in nicht weniger als
220 Exemplaren ange-
schafft habe. Und dabei
war die Blüte seiner Po-
pularität noch keineswegs
im Welken; man wird also
wohl ins dritte wenn nicht
ins vierte Hundert ge-
kommen sein ! Aus die-
ser Tatsache geht offen-
bar hervor, daß die viel-
berufene vornehme Dame,
die ohne alle Bedenken
schmurjige Leih - Biblio-
thekbände in ihre wohl-
gepflegten Hände nimmt
oder sie gar auf ihre
blütenweißen Kissen legt,
während sie lieber ster-
ben würde, als mit einem
fremden Menschen aus
einem und demselben
Glase zu trinken — zum
mindesten in den an-
spruchvolleren Gegenden
des Reichs zum Mythus
zu werden beginnt, wie
sich überhaupt in dem
Betrieb und der Benütjung
der Leihbibliotheken neuerdings ein Wandel vollzogen
haben dürfte. Auf die ältere Literatur zurückzugreifen,
dazu hat heute der erwachsene Mensch und nun vollends
gar die erwachsene Dame immer weniger Zeit. Die Pro-
duktion unserer Tage ist so ungeheuer groß, daß man
Mühe genug hat, auch nur notdürftig auf dem Laufenden
zu bleiben, um im Salon oder bei Tisch mitreden zu
können. Man liest also nur die neuen und neuesten Sachen.
Aber allerdings, der Leihbibliothek bleibt man tror^dem
treu, nur muß sie das Gewünschte sofort und im allge-
meinen in neuen Exemplaren liefern. Auf den dauernden
Besitj der Bücher legt man wenig oder gar keinen Wert.
Man hat doch keine Zeit, zumeist auch kein Bedürfnis,
sie zweimal zu lesen; sie würden im Hause nur als
unnötiger Ballast herumliegen, verstauben, Raum ver-
sperren, wohl auch der Jugend in die Hände fallen, für
"•e sie häufig nicht bestimmt sind.

Diese Art der Lektüre und des Bücherverbrauchs
!st eben so unerfreulich wie sie modern ist. Das Buch
als geistige Schöpfung kommt dabei so wenig zu seinem
Recht wie das Drama beim Premierenpublikum und der
Leser hat auch nichts davon. Immerhin sind damit die
eziehungen des modernen Kulturmenschen zur Literatur
natürlich noch nicht erschöpft. Das deutsche Volk ver-
wendet einen Teil seiner wachsenden Einnahmen tat-
sachlich auch zum Bücherkaufen und die gekauften

Bücher wollen untergebracht sein in dem
Hause, für das sie einen vornehmen und
wertvollen Schmuck bilden. Und daraus
erwächst nun auch der Wohnungs-
kunst, der Kunst der Innen-

R. RIEMERSCHMID.

Standuhr.

PROF. R. R1EMERSCHMID. Notenständer.
Ausf.: Deutsche Werkst, für Handwerkskunst—Dresden.

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