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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Jaumann, Anton: Goldschmied Emil Lettré - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0103

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Goldschmied Emil Lettre—Berlin.

goldschmied emil lettre—berlin.

Gefäße in Stein und Silber montiert.

Linien. Es ist ein Genuf3, ihnen in allen
Wendungen nachzugehen. Aber es sind nicht
schöne Linien schlechtweg. Samt und sonders
sind sie Ausdrucksformen des Metalls geworden,
Verkörperung seiner Tugenden.

Diese Arbeiten, wiederhole ich, erinnern
nicht an Zeichnungen. Man hat nicht das Ge-
fühl, Ornamente zu sehen. Hier ist geschnittenes,
getriebenes, gebogenes, gedrücktes, gehämmertes,
gelötetes Metall. Silber kräuselt sich zu Spiralen.
Drähte sind in welligem Auf und Ab gebogen.
Striche gibt es nicht, nur Riefelung. Jede Figur
ist eine Lebensform des Metalls, das Ornament
ist überwunden.

Der Goldschmied rechnet mit Milligrammen.
Er hat die zierlichsten, feinsten Instrumente. Für
die geringsten Nuancen in den Farben von Gold,
Silber und Edelsteinen muß sein Auge noch emp-
findlich sein. So wird ihm das Zierliche, Feinab-
gewogene durch jahrelange Gewöhnung zur zweiten
Natur. Daß aber dieser Goldschmiedecharakter
so echt und rein zum Ausdruck kommt wie in
den Arbeiten, ja schon in den Entwürfen Lettres,
ist doch eine Seltenheit. Diese Grazie der Form,
diese Anmut der Zeichnung sind die ganz beson-
dere Grazie und Anmut des Goldschmieds. Die
Starrheit des Metalls steckt darin und zärtliche
Sorgfalt, und die sanfte Kraft des Werkzeugs.

Der Handwerker, der seine Arbeit ehrt, wird
ihre Spuren an seinem Werk nicht verwischen
und unsichtbar machen. So hat Lettre alles
vermieden, was die Genesis seiner Stücke ver-

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schieiern könnte. Klar und durchsichtig liegt ihr
Bau vor aller Augen. Nichts soll überraschen
und blenden, technische „Wunder" fehlen ganz
und gar. Aber die schlichte, ehrliche Arbeit ist
voll meisterlicher Sicherheit - jeder Punzenschlag
darf da nachgeprüft werden — und sie ist voll
innerlichen Lebens, das tausendfach technisches
Blendwerk ersetyt. Ich nehme keinen Anstand,
Lettres Arbeiten in ihrer stillen Herrlichkeit den
Prunkgeschmeiden Laliques vorzuziehen. Es
liegt eine deutsche Grazie darin, die uns hoffen
läßt, eines Tages auch auf dem Feld mondainer
Eleganz von deren bisheriger Metropole, Paris,
unabhängig zu werden. Der billige Schmuck
und jene „articles de Paris", die der Fremde als
Andenken dort zu kaufen pflegt, werden ja seit
Jahren schon aus Deutschland importiert, aus
Pforzheim, Gmünd, Hanau usw. Vielleicht dauert
es gar nicht mehr solange, bis wir auch den
Schmuck für die verwöhnte Pariserin liefern
dürfen. Gerade die Arbeiten Lettres, so graziös-
liebenswürdig, daß man sie anreden, daß man
ihnen Kosenamen erfinden möchte, könnten ihren
Teil zu dieser kunstpolitischen Wendung beitragen.

Zu den einzelnen Abbildungen ist wenig zu
bemerken. Die wechselnden Farbtöne des Goldes
und der Steine vermögen ja auch Worte nicht
zu schildern. Die weiblichen Figuren auf dem
Gebetbuchumschlag (hl. Cäcilia und Maria) waren
laut Auftrag nach einer Photographie darzustellen.
Von den kleinen Gefäßen haben unsere Museen
bereits eine Anzahl erworben. a. jaumann.
 
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