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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Breuer, Robert: Nicola Perscheid - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0112

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Nicola Per scheid—Berlin.

NICOLA PERSCHEID—BERLIN.

Sinne. Er gibt den Extrakt aus so und soviel
Ähnlichkeiten. Er extrahiert das Wesentliche,
das sich gleich Bleibende aus so und so vielen
Situationen. Er gibt nichts weniger als eine
beliebige, von seinem Geschmack erwählte
Variation; er gibt das geistige Thema des
Modells. — Genau auf derselben Linie liegt
die Aufgabe des Photographen. Allerdings:
der Lichtbildner muß sich bescheiden, er
kann nicht im höchsten Sinne das letzte
Wesen eines Menschen erfassen. Er kann
nicht die konzentrierte Addition aus mehreren
Beobachtungen geben, nur eine bestimmte, im
günstigsten Falle eine besonders charakte-
ristische Stellung des zu Porträtierenden.
Somit bleibt die Photographie immer nur ein
Annäherungsversuch. Das ergibt sich auch
aus rein äußerlichen Gründen. Der Maler
hat viel länger Gelegenheit, sein Modell zu
beobachten und zu erforschen; schon darum,
weil er einen erheblich höheren Preis für seine
Arbeit bekommt. Der Photograph muß sich
weit schneller entscheiden, welche Stellung,
welchen Moment er festhalten will. Aber
gerade darum, weil dem Photographen die

Bildnis-Gruppe.

Grenzen enger gezogen sind, wird er mit be-
sonderer Energie diesen wichtigsten Teil seiner
Aufgabe zu lösen suchen. — Das ist es, was
mir an den hier abgebildeten Bildnissen*)
des Nicola Perscheid besonders wertvoll er-
scheint: man spürt an ihnen (auch wenn man
den Dargestellten nicht kennt) die Ähnlich-
keit. Und zwar jene höhere Ähnlichkeit, nach
der wir und der Künstler verlangen. -— In
der Tat, Perscheids Absicht geht dahin, nach
dem Maße der photographischen Möglich-
keiten einen Typus zu erfassen. Das kann
ihm nur gelingen, wenn der Mensch auf dem
Bilde das Ausschlaggebende wird und nicht
etwa eine Figur im Interieur bleibt. Darum
nimmt Perscheid meist neutrale Hintergründe.
Arbeitet er im Hause des Modells, so wählt
er wohl irgend eine charakteristisch ausge-
stattete Wand, ein Bücherbrett oder eine
Staffelei mit Bild; er unterdrückt dies Requisit

*) Die nichts anderes sind, als das, was täglich aus
dem Atelier herausgeht, also nicht etwa für den Zweck
dieser Reproduktion apart hergestellte Vergrößerungen,
Gummidrucke oder dergleichen. Nichts davon, nur —
typische »Perscheids«.

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