DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Originalität
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0130
Originalität.
nicola berscheid—berlin.
Bildnis: Alfred Ken".
Scheuklappen vorzunehmen und sich zu Vir-
tuosen auf einer einzigen Saite auszubilden.
Statt Individualitäten werden sie Spezialisten,
und in der Blüte ihrer Jahre stehen sie aus-
gegeben und rettungslos umgrenzt da, vielleicht
nicht einmal mehr an den Pforten zum Leben
rüttelnd, die sie selbst vorwitzigerweise ins
Schloß geworfen haben. Früh büßen sie alle
Möglichkeiten zu einer fruchtbaren Entwicklung
ein. Sie verstehen nicht mehr zu fesseln,
weil doch nur die lebendige Eigenart zu
interessieren vermag.
Wir denken aber, was ein reines künst-
lerisches Temperament ist, das vergißt vor
jeder neuen Aufgabe seine Handschrift von
neuem, um sie jedesmal wieder aus seiner
Intuition zu gewinnen. Sich selber nach-
zuahmen, ist gefährlicher als andere nach-
zuahmen. Nur wenn sich der Künstler die
Reinheit seines Verhältnisses zum Objekte
eifersüchtig wahrt, hat er eine Gewähr dafür,
daß seine Erzeugnisse von echter Originalität
getragen sind. Vor jeder Aufgabe ein Neuer
sein — so erreicht man das Ziel, vor jeder
Aufgabe Derselbe zu sein.— wilhelm michel.
A
Die Grenzen sind noch gesteckt, die dem Talent
und Fleiß entgegentretend zuriefen: bis hierher und
nicht weiter! Beethoven.
*
II7
nicola berscheid—berlin.
Bildnis: Alfred Ken".
Scheuklappen vorzunehmen und sich zu Vir-
tuosen auf einer einzigen Saite auszubilden.
Statt Individualitäten werden sie Spezialisten,
und in der Blüte ihrer Jahre stehen sie aus-
gegeben und rettungslos umgrenzt da, vielleicht
nicht einmal mehr an den Pforten zum Leben
rüttelnd, die sie selbst vorwitzigerweise ins
Schloß geworfen haben. Früh büßen sie alle
Möglichkeiten zu einer fruchtbaren Entwicklung
ein. Sie verstehen nicht mehr zu fesseln,
weil doch nur die lebendige Eigenart zu
interessieren vermag.
Wir denken aber, was ein reines künst-
lerisches Temperament ist, das vergißt vor
jeder neuen Aufgabe seine Handschrift von
neuem, um sie jedesmal wieder aus seiner
Intuition zu gewinnen. Sich selber nach-
zuahmen, ist gefährlicher als andere nach-
zuahmen. Nur wenn sich der Künstler die
Reinheit seines Verhältnisses zum Objekte
eifersüchtig wahrt, hat er eine Gewähr dafür,
daß seine Erzeugnisse von echter Originalität
getragen sind. Vor jeder Aufgabe ein Neuer
sein — so erreicht man das Ziel, vor jeder
Aufgabe Derselbe zu sein.— wilhelm michel.
A
Die Grenzen sind noch gesteckt, die dem Talent
und Fleiß entgegentretend zuriefen: bis hierher und
nicht weiter! Beethoven.
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