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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Jaumann, Anton: Campbell & Pullich - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0147

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Campbell & Pullich—Berlin.

ebenso verkehrt gewesen, uns das Wohnen
in englischen wie in Kopien altdeutscher
Räume zuzumuten. Aber das Vorgehen der
radikalen Moderne, die alle Male der Ver-
gangenheit ausgelöscht und alle Tradition
verläugnet hat, erscheint ihm undeutsch.
In unserer Kultur, besonders in der Wohn-
kultur, müßte neben unserer Jugend auch
etwas von unserm Alter zum Ausdruck ge-
langen. (Dieser Gedankengang ist vielleicht
noch mehr auf seinen amerikanischen Mit-
arbeiter zurückzuführen. Wer aus dem tradi-
tionslosesten Lande kommt, der spürt in
unserem Wesen natürlich zu allererst die
Zeichen der Tradition auf, wie der amerikanische
Reisende in unserem Lande zuerst die Reste
der großen Vergangenheit sucht, die alte Bau-
werke, die Museen, die Ruinen.)

In diesen Blättern wurde noch nie der
Stilimitation das Wort geführt. Eine solche
liegt aber auch bei Campbell nicht vor. Mein
Gott, wenn einer unserer Akademiker es mit-
ansehen müßte, wie er mit einzelnen Formen
alter Stile umspringt, ihm würde schwül.
Akademische Strenge und Korrektheit läuft
Campbeils Temperament so zuwider, daß ihm
selbst die Intransigenten der Moderne schon
zu akademisch, zu einseitig, zu steif erscheinen.
Seine Laune läßt sich durch keinen Katechismus
binden. Sie spielt mit allem. Stecken seine
Arbeiten auch voller Archaismen, es sind
keine Archaismen aus Armut, aus Unvermögen,
sondern eher Archaismen aus Übermut. Auf
die schülerhafte Stilrepetition des vorigen
Jahrhunderts folgt da, nachdem wir nicht mehr
zur Nachahmung gezwungen sind, ein beinahe
sentimentales Kokettieren mit den Alten, das
wie zarte Aufmerksamkeit, wie feinsinnige
Huldigung aussieht. Aus den gefürchteten
Lehrern werden sympathische Greise, die wir
umso lieber gewinnen, je mehr Menschliches,

Allzumenschliches wir an ihnen entdecken.
Halb belustigt, halb gerühit sehen wir auf
diese »Stile« zurück, aber wir fühlen viel
inniger als ehedem die Seele, die in diesen
Formen liegt, die sie umweht wie der Duft
verdorrender Blumen, — die Seele gewesener
Kulturen.

Je sicherer der moderne Künstler in seinem
schöpferischen Arbeiten wird, desto eher kann
er mal ein Tänzchen mit den Alten wagen.
Noch sind die meisten ja unfrei. Und Laune
ist dem Schüler verboten. Aber wenn man,
von einer momentanen Stimmung verführt,
gelegentlich sich eine diskrete Huldigung für die
Überwundenen gestattet, das sollte nicht gleich
im Eifererton gescholten werden. Was einst
Zeichen der Unfreiheit war, kann jetzt Zeichen
der Freiheit sein.

Ist die Titelzeichnung zu dieser Publikation
nicht solch eine schelmische Huldigung ? Wie
ein zierliches und steifes Kompliment erscheint
es mir gegen diese altmodischen Schönheiten
und Raritäten. In einer sentimentalen Stunde,
wo sein Blick sich in die Vergangenheit ver-
lor, tauchte, freundlich grüßend, Bildchen an
Bildchen aus dem Dämmerdunkel auf und
wurde, mit allerlei drolligen Koseschnörkeln
versehen, vom Künstler in seine Guckkästchen
gesperrt. Diese photographische Aufnahme aus
einem Künstlergehirn ist ein psychologisches
Dokument. Wie viel läßt sich nicht daraus
ablesen! Was er aus und an den alten Erb-
stücken so liebt, wie er sie als Künstler sieht,
wie er sie »behandelt« und wie frei er trotz
aller Verehrung doch über ihnen steht. Als
Huldigung freilich ist das Blatt nicht so ganz
einwandfrei. Denn es steckt doch recht viel
schwach verhüllte Komik darin, die der Zeich-
ner des Blattes diesen »Privataltertümern« an-
gehängt hat und die noch stärker ist als die
Bewunderung und die Liebe. Der Verdacht

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