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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Schaukal, Richard: Ein Mahnwort an die Erben: Eine Wiener Glosse
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0170

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Ein Mahnwort an Erben.

CAMPBELL & PULLICH.

Beleuchtungskörper aus Eisen, innerhalb des Schirmes mit Messing; be-
schlagen , im Speisezimmer des Kasinos der Rombacher Hüttenwerke.

ahnt es nicht, Gleichgiltige - ein Labsal, eine
Friedensstätte.

Nun wollt ihr ihm das Asyl rauben, es weiter
schicken in wilde Flucht hinab zum Quai. Wa-
rum? Damit die Wagen keinen Umweg zu
machen brauchen und der Dienstmann seinen
Gang zweckdienlicher einrichte? Der Wahnsinn
der Straßenerweiterung- reitet eure Doktrinäre.

Fern sei es von mir, heilsamer Verbreiterung
des Luft-, Licht- und Bewegungsraumes, ein
engherziger Fürsprecher der Enge, mich - theo-
retisch-platonisch freilich nur — zu widersetjen.
Aber es gibt — das Problematische jener Sucht
unberedet - ein Höheres als moderne Prinzipien
und ihr Götjendienst: die Ehrfurcht vor
ehrwürdigem Erbe.

Was macht den Ruhm unsrer alten Städte
aus? Nicht ihre Wählerversammlungen, sondern
ihre sichtbare Historie. Das, was eine Stadt an
drängendem Leben erfüllt, ist nicht ihr Gehalt.
Ihr Wesen ist ihre Physiognomie. Die aber
hat die Zeit geschaffen.

Und geruhig kann man sagen: alles, was aus

den frühern Zeiten, denen, die Kultur besagen
(wir haben keine, wir haben dafür — betrogene
Betrüger — den „Fortschritt" und die „Freiheit")
stammt, ist architektonisch wertvoll (hygienisch
manchmal fragwürdig, zugegeben). Was man
an die Stelle serjt, ist durchaus schlecht, zu-
mindest dubios. Es ist hier nicht der Ort, zu
erweisen, daß dem so ist, noch bleibt mir Zeit,
zu sagen, warum dem so ist. Wer Augen hat,
sieht's, wer auf seine Seele hört, vernimmt's.

Es wird hier auch nicht altem Gerümpel,
baufälligem Verkehrshindernis das Wort geredet.
Es wird nur darauf hingewiesen, daß es Bauten
gibt, die erhalten bleiben müssen, soll eine
Stadt nicht um ihr historisch-ästhetisch-indivi-
duelles Wesen kommen; daß es Häuser gibt,
die ganze Noten sind im Gewirr der Triller-
ketten, die uns heute allüberall überrieseln; daß
manchmal noch so löbliche Vorwärtsdrängerei
sich bescheiden soll vor gehaltvollem Erbtum;
daß man um Gotteswillen gelegentlich einmal
doch vergleichen möge, was man hatte und was
man dereinst wird ausweisen können! —

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