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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Muthesius, Anna: Ausstellung von Kleidern in der Kölner Flora
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0226

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Ausstellung von Kleidern in der Kölner Flora.

krau fia Wille-Berlin. Gesticktes Abendkleid.

zur Beschickung der Ausstellung zu veranlassen.
Aber nur Gerson - Berlin und Hirsch —Köln hatte
einiges Interesse gezeigt. Es war nicht schwer,
aus den Schränken, wo Tausende von Kleidern
auf den Bügeln hängen, einige herauszufinden,
die frei vom Kleinkram der Mode, als vorbildlich
hier ausgestellt zu werden verdienten. Die Mode
hatte gerade jetjt mit den Schulterkragen, den
japanischen Ärmeln und den Faltenröcken schöne
Motive. Den Besucherinnen der Ausstellung
gefielen diese Kleider am besten. Da es Strafjen-
kleider waren, so waren sie ohne Konkurrenz.
Nicht ein einziges Straßenkleid war sonst einge-
schickt. Die Künstlerinnen fühlen instinktiv, dafj
sie im Strafjenkleid noch nichts besonderes er-
reicht haben. Wenn dem Durchschnitts-Mode-
schneider jedes Bewujjtsein von gut oder schlecht
der Oesamtform und des Ornaments mangelt,
so fehlt der künstlerischen Schneiderin vorläufig
noch die vollständige Beherrschung der Tech-
nik, die gerade zu einem Strafsenkleid notwendig

ist. Bei einem faltenreichen Gesellschaftskleid,
das keine Nähte zeigt und durch Form und Farbe
allein schon eine Wirkung ausübt, kann man sich
über minderwertigeTechnik hinwegtäuschen lassen.
Die schlichte Solidität eines Strafjenkleides verlangt
eleganten Sit} und tadellose Arbeit. Die Künst-
lerin soll das Handwerk erst gründlich erlernen,
erst dann kann sie hoffen, Einflufj auch auf den
grof3en Betrieb zu bekommen. Wenn sich das
Geschmacks - Niveau der Frauenkleidung heben
soll, so genügt es nicht, dafj ein paar intelektuelle
Frauen einige Künstlerinnen beschäftigen. Der
Grofjbetrieb mufj, wie in allen andern Kunstgewerbe-
zweigen, mit künstlerischen Kräften arbeiten. Ginge
es nicht ab ohne ewig wechselnde Moden, so sollte
die Künstlerin wenigstens vor Mode-Torheiten be-
wahren dürfen und helfen neue Motive zu erfinden.
Noch immer reisen die Geschäftsinhaber vor jeder
Saison nach Paris, um sich dort die neuesten
Farben und Kleider von Paquin als teuer er-
kaufte Almosen in die Hand drücken zu lassen. —
Wir gingen solange um fremde Intelligenz und
fremden Geschmack betteln, dafj uns das Ehr-
gefühl verloren ging. Teilt den Riesenpreis für
ein einziges Pariser Hutmodell in einen Monats-
gehalt für eine deutsche Künstlerin, die ihre Seele
dafür hingeben wird. — anna muthesius.

frau else oppler-legband-berlin.

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