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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Osborn, Max: Julius Klinger
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0284

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Julius Klinger.

JULIUS KLINGER.

JULIUS KLINGER

SCHWARZ-WEISS

VON D"<- MAX OSBORN — BERLIN.

Ein Pflänzlein aus Jungösterreich.
, Mit listigen, scharfen, ver-
schmitzten Augen. Mit einem Ge-
schmack auf der Zunge, der dem
raffiniertesten Gourmet Ehre macht.
Mit prickelndem Kulturgefühl in
den Fingerspitzen. Mit einer in-
stinktiven Witterung für die letzten
Extrakte, die soeben von erfin-
dungsreichen Köchen durch Zu-
sammenrühren und Einkochen aller
Elemente moderner Kunstbildung
gewonnen worden sind. Viel zu
liebenswürdig-bescheiden, um als irgend ein
> Bahnbrecher« oder »Führer« oder »Origi-
nalgenie« gelten zu wollen (aber das ist ja
gerade der große Fortschritt unserer Kunst-
dinge , daß auch die Männer der zweiten
Reihe so erstaunlich vorwärts gekommen
sind, daß das Niveau in der Breite sich
so enorm gehoben hat). Ein stets gut ge-
launter, um künstlerische Gedanken nie
verlegener, flinker und feiner Zeichner,
der seinen Klimt und seinen Beardsley und
seinen Somoff und andere, ihnen und ihm
verwandte Geister mit mehr Vergnügen als
Schülereifer und ohne Ängstlichkeit studiert
hat und sich mit solchem Trank im Leibe
nun eine Pläsier daraus macht, die wunder-
lichen Phantasien, die das Wandeln auf diesem
Erdball in seinem Kopfe veranlaßt, auf weißem
Papier spazieren zu führen. Das ungefähr
ist Julius Klinger, der sich in diesem Hefte
mit einigen närrisch - exquisiten Zeichnungen
dem weiteren deutschen Publiko vorstellet.

Wir Berliner kennen ihn schon lange als
lustigen und kecken Plakatzeichner, der famos
mit weithin leuchtenden farbigen Flächen, mit
witzigen Konturen, die elegant sind und doch
schreien, mit einfachen großen Figuren oder
Köpfen zu wirtschaften weiß. Als vergnügten
Karikaturisten, dem manche verblüffende

Schwarz-weiß.

Grotteske gelungen ist. Als geschickten und
ideenreichen Ornamentherrscher, Dekorateur
und Arrangeur. Nicht zu vergessen auch als
schnellzeichnenden Hexenmeister, der schon
vor J ahr und Tag literarisch - künstlerische
Übermuts-Abende des aus naturalistischer Ernst-
haftigkeit und Schwerblütigkeit erwachenden
Berlin durch seine köstlichen Improvisationen
wesentlich verschönt hat. Vor allem aber
doch als Zeichner dieser aparten, ulkigen
und amüsant exzentrischen Blätter, die von
Zeit zu Zeit in unserer Sezession auftauchen,
und von denen man hier ein paar Proben
sieht. —

Ich liebe diese Blätter in ihrer putzigen
Gravität, die so ernsthaft spielend »Tier,
Menschen, Weib und Kind«, wie es in einem
alten Studentenliede heißt, in Ornamente ver-
zaubern und ihnen ein gespenstisches zwei-
dimensionales, auf geometrische Gesetze redu-
ziertes Flächendasein in Gnaden verleihen.
Man möchte schwören, daß der Künstler,
wenn er die Feder zu diesen Arbeiten an-
setzt, höchstens eine sehr dunkle Vorstellung
davon hat, was das werden will. Wir von
der Zunft der Nichtskönner kennen alle die
Stunden, da wir bei irgend einer Überlegung
oder im Gespräch ein zufällig vor uns liegen-
des Blatt Papier oder den Rand einer Zeitung mit

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