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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Jaumann, Anton: Die Stickerin Florence Jessie Hösel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0399

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Die Stickerin Florence Jessie Hösel.

FLOKENCE JESSIE HÖSEL BERLIN.

Farbig gestickter Wandbehang.

und Gewebten schlummert. Und schließlich
gibt sie noch vom Besten, von ihrer eigenen
Seele, den Stichgebilden und Stoffgebilden
mit, die aus ihrer Hand hervorgehen, sodaß
jedes Stichelchen und Knötchen und Eckchen
wie mit einem winzigen Embryonenseelchen
ausgestattet erscheint.

Ihre Bilder haben eine frauliche Seele.
Schüchtern und zaghaft sind die Linien.
Zuweilen aber fährt ein plötzliches Wehen
hinein, doch leise wie in Träumen, die Formen
wachsen ins Phantastische, und die zärtliche,
friedliche Geduldarbeit scheint plötzlich von
einer Aufwallung und Verwirrung der Gefühle
unterbrochen. Jähe, herbe Leidenschaftlich-
keit zerzaust dann die Kronen der Bäume,
unverschönert, ungeschminkt, wie auch das

Eckigschüchterne nicht geglättet war. Eine
weiße Lohe fährt auf. Ein Wald weißer
Stämme, hinter dem blauschwarz die Ferne
versinkt. Doch bald herrscht wieder das
vergnügte Spiel der Knötchen und Strichelchen.

Seltsam weiblich ist auch das Bemühen,
Wirklichkeitsbilder zu geben, die dann in allem
so ganz und gar unwirklich werden. Ein
tastendes Bestreben, dem die erste Grundlage
fehlt, der harte Tatsachensinn des Mannes.
Die Natur war mit dem Gefühl gesehen und
wird aus einem Gemisch von Erinnerung,
Phantasie und Empfindung wieder aufgebaut,
ein schwächliches, gerade in der Schwäche
liebenswertes Unterfangen. Die naive Selbst-
täuschung wird dann vollendet von der Tech-
nik der Hand, die unbewußt, und desto un-

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