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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schaukal, Richard: Gegen das Ornament
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0027

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darin die glatte Gasröhre? Ja, warum?
Weil man eben am Ornament krankt. — Ein
Hausierer bringt eine kleine Blechsache ins
Haus, einen Selbstanzünder oder wie das
Zeug heißt. Eine Blechkappe, die man dem
Zylinder des Auerlichtbrenners aufsetzt und
die gewisse Funktionen zu erfüllen hat. Wie
sieht das Ding aus? Zackig, gesäumt, von
einem Bügel in Hieroglyphenform gekrönt, die
Flächen bedeckt mit einem gepreßten Muster.
Wie gesagt, das Ganze — ein schweres
historisches Ornament, eigentlich zwei, scheuß-
lich gekuppelt — aus dünnstem Blech, ein paar
Heller kostend. Warum macht man das nicht
glatt? Ja, warum! — Ein Ofen ist ein Auf-
bau aus Kacheln. Eine Kachel ist ein glasiertes
Stück Ton. Die Kacheln, einfach aneinander
gereiht, von einer Kante oben abgeschlossen,
auf einem breiten Unterbau postiert, in weißer
Farbe, wie erquickend! Nein, man preßt
auf jede Kachel die heute hochmütig ver-
stummten Zeichen einer Stilsprache, die Renais-
sance oder Barock heißt, krönt die Unsal
mit einem Portalgebälk, stellt womöglich noch
eine Figur hinauf oder schraubt einen Zapfen
an. Warum? Die Ornamentkrankheit.

Statt dem Unfug zu steuern, »erfinden«
gewissenlose »Künstler« täglich neue Ornamente,
verderben uns jedes brave Möbel durch faden

Schnickschnack, vergreifen sich sogar an der
Kleidung (Die Kleidung ist der Mode unter-
worfen. Heil der Mode! — Ich folge hier
dem Gedankengange eines eminenten Künst-
lers, des Marquis Franz von Bayros. — Sie
trägt jeweils den Keim des Verfalls in sich.
Moden — das ist ihr Wesen — wechseln.
Wie gemäß der Kleidung! Man trägt ja
Kleider nicht ewig).

Ein Tüchtiger hat schon vor Jahren
den Kampf gegen das willkürliche Ornament
aufgenommen: Adolf Loos, ein Wiener
Architekt. Ihm ist die Losung: »Los vom
Ornament!«; eine Glaubens- und Gewissens-
sache. Er sieht in der ornamentlosen Zu-
kunft, die er erträumt, die Menschheit von
einem Fluch befreit, sieht nutzlose Arbeit
abgetan, die Produktion vereinfacht, den
Gewinn, zumal der Handwerker, mit geringem
Mitteln erzielbar. Er predigt das Material
und seine elementare Wirkung, die Harmonie
der Farben und Flächen, den Akkord der
Metalle und Hölzer, der Ziegel und Steine.
Ob wir eine Utopie des Tatsächlichen
noch einmal als Stil unserer Zeit erleben,
ist dem Skeptiker eine Sphinxfrage. Vorläufig
patscht die zivilisierte Gegenwart hier wie
anderwärts lustig im hochaufspritzenden Trüben
der Gesinnungsträgheit weiter. —

C. O. CZESCHKA. ZEICHNUNG FÜR ZINKÄTZUNG.
FESTSCHRIFT DER K. K. HOF» UND STAATS-URl'CKKREI — WIEN.
 
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