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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schlader, B.: Porzellan von Hugo F. Kirsch - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0275

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Porzellan von Hugo F. Kirsch— Wien.

PORZELLAN VON HUGO F. KIRSCH- WIEN.

Die Keramik mit ihrer uralten Vergangenheit
hat sich auch allmählich bei uns zu einem
Lieblingszweig des Kunstgewerbes entwickelt,
wodurch sie alle Ursache hat, auf die in der
letjten Zeit gemachten Fortschritte stolz zu sein.
Das edelste unter dem keramischen Material ist
allerdings das Porzellan durch seine Eleganz und
Zartheit, denn es kann damit die höchste Feinheit
der Form sowie Schönheit der Farbe erreicht
werden, es macht aber auch hinsichtlich der Technik
die größten Ansprüche. — Das Porzellan, zu An-
fang des vergangenen Jahrhunders das verhät-
schelte Schoßkind der Fürsten, die keinen anderen
künstlerischen Ehrgeiz kannten, als die Gründung
einer Porzellanfabrik, wurde in den legten Jahr-
zehnten sehr stiefmütterlich behandelt, es machte
sich eine Stillosigkeit infolge Reichtum planloser
Ornamentik geltend, die mit allem, nur nicht mit
Kunst zu vereinen war. Das langsame, aber sichere
Zerstörungswerk im Kunstgewerbe hatte begonnen
— ein Stillstand in der Kunst trat ein. Die Er-
zeugnisse dieser Epoche und die vielen bedeu-
tungslosen Nippes, die wie eine Heuschrecken-
plage gewütet haben und noch heute in soge-
nannten besseren Wohnungen anzutreffen sind,
geben ein trauriges Zeugnis von dem unquali-
fizierbaren Geschmack ihrer Besirjer. Der großen
Volksmasse ist durch die Massenerzeugnisse der
Sinn und das Verständnis für das Gediegene,
Echte gänzlich abhanden gekommen.

Erst die Strömung des modernen Kulturlebens
hat auf dem Gebiete der Keramik eine große Um-
wälzung verursacht. Die Forderung der Modernen:
„Jedes Ding sei wirklich, was es zu sein scheint,
Materialechtheit, materialgerechte Bearbeitung"
etc., gaben einer Reihe von individuellen Künst-
lern Gelegenheit, ihren Arbeiten den Stempel
des rein Persönlichen aufzudrücken, und so die-
selben auf ein höheres Niveau zu stellen.

Österreich war seit der Auflösung der Wiener
Porzellan-Manufaktur im Jahre 1864 im Erzeugen
von Kunstporzellan weit gegen andere Länder
zurückgeblieben, doch geht es jetjt auch hier
wieder vorwärts. So hat in allerletjter Zeit der
Wiener Bildhauer, Hugo F. Kirsch, sich die Auf-
gabe gestellt, in seiner Werkstätte modernes
Porzellan zu erzeugen. Kirsch modelliert und
führt seine Arbeiten, die sich durch Originalität
und Urwüchsigkeit in der Modellierung sowie
feines Formenempfinden auszeichnen, selbst aus;
dabei ist er frei von Manieriertheit, denn an
jedem Stück erkennt man den Künstler. Aller-
dings eignen sich diese Erzeugnisse nicht für
Warenhäuser, nach ihrem künstlerischen und
ästhetischen Wert sind sie Schmuck und Zierde
des modernen, gemütlichen Heims. Die Massen-
erzeugnisse der Warenhäuser können nie An-
spruch auf Kunst machen, da sie durch die
schablonenmäßige Herstellung die Hand des
Schöpfers verwischen. ». scht.ader.

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