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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Zimmermann, Ernst: Porzellan-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0070

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Kunst eine plastische sein, dann aber in
weitem Umfange, und vor^ allem, sie wird
dann, falls sie wirklich aus dem Material
und seiner Eigenart herausgeboren wird, eine
Kunst höherer Art sein, eine Kunst der
Stilistik, die sich nicht blos an eine einfache
naturalistische Wiedergabe hält. Von vorn-
herein verlangt das plastisch etwas spröde,
im Feuer dann so launenhafte Material des
Porzellans, sowie die Zutat seiner alles über-
deckenden und hierbei vieles verwischenden
Glasur eine ganz besondere Art der plasti-
schen Behandlung, eine Vereinfachung in den
Einzelheiten, wie eine Verstärkung der Gegen-
sätze, damit eine mehr oder weniger persön-
liche Arbeit, die ihr von vornherein einen

ganz besonderen Gharakter verleiht und
ihre künstlerischen Reize ungemein erhöht.
Dieser Stil kann freilich verschieden aus-
fallen, er kann mehr oder weniger streng
und einfach werden, immer aber muß
er, falls diese Plastik wirklich wirkungs-
voll ausfallen soll, in irgendeiner Weise
vorhanden sein. Sonst entstehen hier
völlig ausdruckslose und unklare Werke.
Aber dann, wenn dies geschehen, können
sich hier beide Künste vereinen: die
Malerei kann zur Plastik hinzutreten,
sie unterstützen, so kräftig, daß deren
Absichten dadurch erst völlig zum Aus-
druck gelangen, und es entsteht so eine
polychrome Plastik, so natürlich und
selbstverständlich, so reich und prächtig
und zugleich in ihrer Art so unver-
gänglich , wie sicherlich in keinem
anderen plastischen Stoffe. Das Porzellan
ist das Material der polychromen Plastik
par excellence, aber freilich wieder
nur einer stilisierten polychromen Plastik.
Denn auch ein farbiger Naturalismus
hat hier keine Existenzberechtigung, und
zugleich tut die Malerei gut, auch hier
wieder ihre höchste Kraft und höchste
Schönheit zu entfalten und unbekümmert
dabei auch etwas über die Natur hinaus-
zugehen.

Immer aber wird das Porzellan bei
allen Verschönerungs- und Veredlungs-
versuchen den Charakter des Feinen,
Delikaten behalten müssen. Das Por-
zellan ist eines der delikatesten Dinge,
die der Mensch erfunden hat. Schon
die Masse wird, wenn sie zur Voll-
kommenheit erhoben werden soll, delikat
und subtil ausfallen müssen. Klein
bleibt dann trotz mancher gegenteiliger
Versuche der Maßstab an den Sachen, die
als die gelungensten in diesem Stoffe er-
scheinen. Nur in diesem kann es seine
reizvollsten Wirkungen tun. Ungemein fein-
fühlig aber muß dann auch die künstlerische
Verarbeitung dieses Stoffes ausfallen. Die
Plastik muß bei aller Stilisierung zart und
graziös bleiben, die Malerei trotz der Kraft
der Farben dezent und vornehm wirken. Sie
müssen lebhaft, aber nicht bunt erscheinen,
kräftig, aber nicht schreiend. Das ist, weiß
Gott, nicht alles so leicht zu erreichen. Takt-
gefühl muß daher besitzen, wer Porzellan ge-
stalten will, ein wirklicher Kulturmensch der
sein, der dies unternimmt. Aber, was dann
auch daraus entsteht, sind wirkliche Kultur-


 
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