Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Porzellan-Kunst
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0071

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
werke, Erzeugnisse eines höheren Ge-
schmackes und so Zeugnisse jener höheren
Gesittung, nach der der Mensch doch
wohl in der ganzen Entwicklung seines
Geschlechts, im Grunde genommen, hin-
strebt. Und damit ist die Arbeit in
diesem Stoffe doch wohl keine vergeb-
liche gewesen.

Es mag sich nun jeder selbst beant-
worten, wie weit unsere heutige Porzellan-
kunst schon wirklich wieder Kunst ist, ob
unsere keramischen Techniker alle Ge-
schmack , unsere keramischen Künstler
Stilgefühl und Delikatesse, unsere kera-
mischen Maler schon wieder Farben-
freude besitzen. Wer aber dies nicht
kann, der gehe nur wieder in eine kera-
mische Sammlung, vergleiche das Jetzige
mit dem Früheren, das Neue mit dem
Alten, und er wird bald die Antwort
finden, die er braucht, ernst Zimmermann.

DAS LEDER-MÖBEL. Einem sehr
beachtenswerten Aufsatze Robert
Breuers im April-Hefte der »Innen-Deko-
ration« entnehmen wir nachstehendes:
Das Sitzmöbel aller Zeiten bringt deren
Typus und Grundcharakter zur Darstellung.
Der Kaiserstuhl von Goslar in seiner weit
ausladenden Massivität und seiner me-
tallischen Architektur war dafür geschaffen,
die gepanzerten Ritter des Mittelalters
aufzufangen, wenn sie sich mit kräftigem
Ruck hineinschmissen. Wie anders der
auf schlanken graziösen Füßen sich wie-
gende Rokokostuhl; er würde unter jeder
brutalen Last zusammenbrechen, er ver-
langt nach leichten Krinolinendämchen,
nach Kavalieren, die im Tanze fliegen
und mit artiger Verbeugung sich niederlassen.
Der Biedermeierstuhl hingegen ist puritanisch
und spießbürgerlich, familiär und von der
Genügsamkeit einer guten alten Tante, er ist
respektabel und ehrbar, wie die Bürger der
vormärzlichen Zeit es waren.

Ein moderner Lederfauteuil ist Symbol
für Menschen, die nach hastigem Tage einer
kurzen, aber intensiven Ruhe sich hingeben,
er ist materialisierte Bequemlichkeit; solch'
Gerät zeugt von einem erstarkten Selbst-
bewußtsein und einem wohlbegründeten reprä-
sentativen Bedürfnis des Bürgertums. Es hat
etwas Wetterfestes; wen seine kräftigen Arme
umfangen, der vergißt des Sturmes, der durch
die Straßen heult und genießt mit vollem

Behagen das Feuer des Kamins. — Da das
Ledermöbel soweit wirklich eine präzise
Aufgabe erfüllt, da es aus anständiger Ge-
sinnung geboren wurde und genügend Vernunft
zur Patin hat, so ist es von vornherein gefeit
gegen alles überflüssige und hohle Pathos, gegen
jeden falschen Prunk, gegen jeden zwecklosen
Zierat. An diesen Ruhesitzen muß alles präzis
und solid sein. Ihre Schönheit besteht allein
in dem Rhythmus, der durch die Konstruktion
bestimmt ist. Sie verlangen nach einer groß-
zügigen , klar zu übersehenden Gliederung.
Jedes unsichere Tasten würde sofort Fiasko
leiden. Der Architekt muß genau wissen,
welches Thema er zu gestalten gedenkt; auf die
Hilfe von Zufälligkeiten ist nicht zu rechnen. —

1908. vir. 8.

59
 
Annotationen