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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Michel, Wilhelm: Münchener Dekorations-Gemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0163

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MÜNCHNER DEKORATIONS-GEMÄLDE.

Zweihundert Redouten, bals pares, Künstler-
feste , Vereins -Veranstaltungen hat der
Fasching 1908 den allezeit festfrohen Münch-
nern beschert, fast etwas zu viel des Guten,
das kann man wohl sagen, ohne als Gries-
gram zu erscheinen. Das Fest des »Neuen
Vereins«, der bedeutendsten Schriftsteller-Ver-
einigung der Stadt, kam fast ganz zum Schluß.
Aber trotz ihrer zahlreichen, oft mit großem
Aufwand arrangierten Vorgängerinnen hat die
Redoute des »Neuen Vereins« sich im Urteil
der Besucher als Krone und Glanzpunkt der
heurigen Narrenzeit festgesetzt. »Narrenzeit«
— das stimmt nicht. Die Münchner Faschings-
bälle haben keinen karnevalistischen Charakter,
sind keineswegs auf Witz oder Humor basiert,
sondern auf etwas viel allgemeinerem: auf
der Lebensfreude, auf dem Rauschbedürfnis.

Dieser Charakter des Münchner Faschings
erklärt auch die dekorative Inszenierung der
Bälle. Findet am Rhein z. B., der eine ganz
andere und vielleicht echtere Karnevals-Über-
lieferung besitzt, ein Fastnachtsball statt, so
weist die Dekoration der Säle fast immer das
Streben nach grotesken, bizarren Wirkungen
auf. In München fehlt dieses Streben fast
völlig, weil die romantisch-maskenhafte Grund-
stimmung des Vergnügens fehlt. Der Saal
erhält festlichen Schmuck, der immer nur das
eine Thema: Lebensfreude, Genuß, Taumel,
Bacchantentum variiert. Er wird so schön,
so reizend, so verführerisch, so zauberhaft
gemacht, als es Mittel und Können erlauben;

aber er paßt für jede festliche Gelegenheit.
Läßt man einige wenige Embleme weg, so
kann er jedem beliebigen Sommerfest zur
Zierde dienen.

Die dekorative Leistung war es in erster
Linie, die den glänzenden Erfolg der Redoute
des Neuen Vereins anbahnte. Die vorhan-
denen Räumlichkeiten, Saal und Dependancen
des Löwenbräukellers, waren günstig, reich
an Abwechslung, wie man denn in München
die poetischen Wirkungen üppiger Raum-
dichtung wohl zu schätzen und zu erzeugen
weiß. Mit dem Gegebenen schaltete nun
der eminente dekorative Geist Fritz Erlers
und Leo Putz' mit voller souveräner Frei-
heit und mit einem Erfolg, der selbst die
zahlreichen Verehrer der beiden Künstler
staunen ließ. Schade, daß all die Prächte
an Licht und Farben, unter denen Erlers
geliebtes Gelb und Orange wieder eine Haupt-
rolle spielten, wesenlos verrauschen mußten,
schade, daß von dieser prächtigen Raum-
dichtung kein vollgiltiges Zeugnis zurück-
bleiben konnte!

Nur eines war seiner Natur nach zu
retten: die Wandgemälde von Erler, Putz,
Hoch und Salzmann, die von der Modernen
Kunsthandlung (F. J. Brakl) erworben und
kürzlich öffentlich ausgestellt wurden.

Auf die Gefahr hin, den beteiligten Künst-
lern ein unerwünschtes Kompliment zu machen,
möchte ich aussprechen, daß besonders Erlers
ganze Art sich vorzüglich für diese leichtere,

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