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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schulze, Otto: Hessische Landes-Ausstellung für freie und angewandte Kunst, Darmstadt 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0376

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Hessische Landes-Ausstellung Darmstadt ig08.

W. LOSSOW UND M. H. KÜHNE DRESDEN.

Diele (Treppen-Ansicht) mit Eingang zum Speise-Zimmer.

oder Farbenräuschen süßlicher Art. Das ist
kein Raum, der das Tageslicht und die Blicke
der Mitmenschen zu scheuen braucht; das
ist kein schwüler Ort, dessen Decke das
Firmament oder Engelchen oder gar Mars
und Venus zeigt. Müller kennt solche Ab-
geschmacktheiten und Raffiniertheiten nicht,
zu welchen sich noch bis vor kurzem so
mancher andere Künstler bekannte. Hygiene,
Ethik und Schönheit müssen an solcher Stelle
zu einem ständigen Bündnis zusammenwachsen.

Auch das Ankleidezimmer ist, von
solcher Auffassung ausgehend, künstlerisch
in gleichem Ebenmaße gelöst worden; es ist
außerdem praktisch derart eingerichtet wor-
den, daß es seiner Bestimmung jederzeit ge-
recht zu werden vermag. Es kommt auf das
ästhetische Gefühl der Eheleute an, welchen
gemeinsamen Anteil sie an diesem Ankleide-
raum nehmen wollen. Ganzes Beisammensein
und event. gänzliches Isolieren ist möglich.
Auch in diesem Raum ist der Urheber von
den glücklichsten Ideen inspiriert worden; er

hat an alles gedacht. Vornehmheit an jedem
Platze, heitere Schmuckfreude an den Wänden,
Behälter und Gelasse für sichtbares Verwahren
kostbarerer Toilette- und Schmuckstücke, wie
zur Aufbewahrung der eigentlichen Garderobe.

Eine Kostbarkeit, auch nach der schönheit-
lichen Qualität, ist das in Serpentinstein und
Marmor ausgeführte Badezimmer, das ganz
in dämmrige Farbenflutung getaucht zu sein
scheint, und doch des goldenen Tageslichtes
durch ein geschickt angeordnetes, ornamental
wirkungsvoll gelöstes Fenster nicht entbehrt.
Auch dieser Raum ist ganz dem Schönheitskult
des Körpers zum Dienen gegeben.

Prof. Müller hat in seinen Räumen ab-
sichtlich zu den reichen Vornehmen sprechen
wollen, um zu zeigen, daß die moderne an-
gewandte Kunst und namentlich die Raum-
kunst auch das hohe Lied der Schönheit
anzustimmen vermögen, daß nüchterne Klug-
heit und puritanische Strenge und Enthalt-
samkeit nicht die eigentlichen Grundfaktoren
ihrer schöpferischen Tätigkeit zu sein brauchen.

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