Hessische Landes-Ausstellung Darmstadt igo8.
geistigen Atmosphäre geläufig sind. Man
sehe sich daraufhin die Einzelheiten an,
den mächtigen Schreibtisch in seiner so ver-
nünftigen Lösung, den Kaminplatz, die
Rauch- und Spielecke. Überall, trotz des
Vollklanges der Eleganz, finden wir keine
Vernachlässigung des Nützlichkeitsprinzips
wie der tatsächlichen Dienstleistung. Auch
sein im Auftrage der Firma Trier entworfenes
Damenzimmer, aus gedämpftem poliertem
Birnbaumholz mit mäßig plastischen Schnitze-
reien, aber reich und belebend wirkenden
Einlagen, redet die gleiche Sprache und damit
ein Innenleben, wie wir es mit dem Lebens-
inhalte einer edlen deutschen Frau erfüllt
denken. Gewiß, in beiden Räumen herrscht
der Luxus großen Stils der oberen Zehn-
tausend. Wer wird sich dazu bekennen-, wird
deutsches Geld für so vollendete deutsche
Arbeit zu haben sein oder wird ein Amerikaner
in die Tasche greifen und uns wieder zu ver-
stehen geben, daß so etwas eben nur von
Amerikanern gewertet und gewürdigt werden
kann? An sich ist es ganz gleich, wer als
Käufer auftritt, wichtig scheint mir aber, daß
die Zahl der Interessenten für solche Räume
in Deutschland eine größere werde, weil die
damit wachsende Gesinnung noch so mancher
anderen Kulturaufgabe in Deutschland zu gute
kommen würde. Wir haben noch ganz andere
Missionen zu erfüllen als nur die, die schlag-
fertigste Nation der Welt zu bleiben.
Es ist kein Wort darüber zu verlieren,
daß unsere Lebensart eben so sehr wand-
lungsfähig ist wie die Mode, die unsere Wohn-
stätten seit jeher tyrannisiert hat. Man beob-
achte die wechselzeitigen Beziehungen zwischen
Raumstimmung und Raumbewohnern. Auch
der Verrottetste duckt sich im Tempel der
Schönheit und der Gottheit; erst in seinen
Spelunken findet er sich wieder. Man be-
achte Städter und Landleute bei der Führung
PROFKSSOK AI.IHN MULI.KK.
Phonola-Flügel von Hupfeld Leipzig und Schiedmayer & Söhne - Stuttgart.
1908. XII. 5.
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geistigen Atmosphäre geläufig sind. Man
sehe sich daraufhin die Einzelheiten an,
den mächtigen Schreibtisch in seiner so ver-
nünftigen Lösung, den Kaminplatz, die
Rauch- und Spielecke. Überall, trotz des
Vollklanges der Eleganz, finden wir keine
Vernachlässigung des Nützlichkeitsprinzips
wie der tatsächlichen Dienstleistung. Auch
sein im Auftrage der Firma Trier entworfenes
Damenzimmer, aus gedämpftem poliertem
Birnbaumholz mit mäßig plastischen Schnitze-
reien, aber reich und belebend wirkenden
Einlagen, redet die gleiche Sprache und damit
ein Innenleben, wie wir es mit dem Lebens-
inhalte einer edlen deutschen Frau erfüllt
denken. Gewiß, in beiden Räumen herrscht
der Luxus großen Stils der oberen Zehn-
tausend. Wer wird sich dazu bekennen-, wird
deutsches Geld für so vollendete deutsche
Arbeit zu haben sein oder wird ein Amerikaner
in die Tasche greifen und uns wieder zu ver-
stehen geben, daß so etwas eben nur von
Amerikanern gewertet und gewürdigt werden
kann? An sich ist es ganz gleich, wer als
Käufer auftritt, wichtig scheint mir aber, daß
die Zahl der Interessenten für solche Räume
in Deutschland eine größere werde, weil die
damit wachsende Gesinnung noch so mancher
anderen Kulturaufgabe in Deutschland zu gute
kommen würde. Wir haben noch ganz andere
Missionen zu erfüllen als nur die, die schlag-
fertigste Nation der Welt zu bleiben.
Es ist kein Wort darüber zu verlieren,
daß unsere Lebensart eben so sehr wand-
lungsfähig ist wie die Mode, die unsere Wohn-
stätten seit jeher tyrannisiert hat. Man beob-
achte die wechselzeitigen Beziehungen zwischen
Raumstimmung und Raumbewohnern. Auch
der Verrottetste duckt sich im Tempel der
Schönheit und der Gottheit; erst in seinen
Spelunken findet er sich wieder. Man be-
achte Städter und Landleute bei der Führung
PROFKSSOK AI.IHN MULI.KK.
Phonola-Flügel von Hupfeld Leipzig und Schiedmayer & Söhne - Stuttgart.
1908. XII. 5.
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