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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schulze, Otto: Hessische Landes-Ausstellung für freie und angewandte Kunst, Darmstadt 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0386

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Hessische Landes-Ausstelhing Darmstadt ig08.

Professor albin müller. Farbige Stickereien. Wanddekoration im Ankleidezimmer.

Ausgeführt von Heinrich Hösel—Stuttgart.

aus dunkelbraun gebeiztem Eichenholz gefer-
tigt, das in seiner einladenden Gediegenheit
und Freundlichkeit so ganz auf deutsches
Familienleben gestimmt ist. Aus jedem Zimmer-
teil spricht wieder Lebensart, aus jedem Möbel
freudiges Dienen, die ganze Anmut vorsorgender
Behaglichkeit. Eine jüngere Firma, die Darm-
städter Möbelfabrik, Georg Schwab,
führte dieses Zimmer mit gutem Verständnis für
die Forderungen des Urhebers sehr sorgfältig
aus. Bleibt die Darmstädter Möbelindustrie
auf der Höhe der in den hier besprochenen
Zimmern durchweg vorbildlich geleisteten Aus-
stellungsarbeit in allen anderen ihr zufließenden
Aufträgen, so wird sie für die süddeutschen
Möbelproduktionsorte eine nicht zu unter-
schätzende Konkurrentin werden.

Bei wiederholtem Betrachten der vorzüg-
lichen Abbildungen werden uns eine große
Menge Einzelheiten, die ich in meinen, mehr
zusammenfassend gegebenen Ausführungen
nicht alle streifen konnte, noch weitere Schön-
heiten offenbaren, die im Ensemble der ein-
zelnen Raumausstattungen sich nur ganz un-
aufdringlich bemerkbar machen. Es sind die
Wandbespannstoffe, die Möbelbezüge, die
Teppiche, die Kissen und Türvorhänge mit
Stickereien, dann Kleingeräte aus verschie-
denem Material, darunter die Gußeisenarbeiten
der Fürstlich Stolbergschen Hütte zu Ilsen-
burg a/H., die Serpentinsteinarbeiten des
Zöblitzer Werkes, Beleuchtungskörper, Gläser,
Speisegeräte, für welche Dinge, wie ich be-

reits hervorhob, Prof. Müller innerhalb seiner
Räume ebenfalls die Entwürfe schuf. Ich
verweise namentlich auf die Seiten 372, 381,
383, 387 und die Elfenbeinarbeit zum Schlüsse
des Heftes. Angesichts dieser vielseitigen Klein-
arbeit, in der sich Albin Müller auch als Meister
des Ornamentalen und Dekorativen erweist, darf
man getrost wieder Hoffnung schöpfen, daß
nicht eine sogenannte »Armeleutekunst« —
man verwechsele sie nicht mit dem Nützlich-
keitsprinzip in der angewandten Kunst —
wieder ihre Anstößigkeit gegen uns ausspielen
wird. Wo Ornament und Zierwerk aus dem
Organismus herauswachsen, also nicht als Auf-
geklebtes und Fremdes hinzutreten, da werden
sie uns stets willkommen sein. Es gibt doch
noch unzählige Dinge gerade in unserem
kulturellen Leben, bei denen wir noch For-
men- und Farben- und Linienfreude empfin-
den möchten, bei denen wir das Gestaltungs-
prinzip der Maschine nicht schlechthin zum
Ausgangspunkt nehmen dürfen. Hüten wir
uns davor, uns einer Industriekunst ganz
auszuliefern. Das Raumideal ist nicht die
Schablone, sondern die individuelle Schöpf-
ung für die Persönlichkeit. Professor Müller
beweist es uns in allen seinen Räumen, daß
Großzügigkeit in der Zusammenfassung tau-
sender Einzelheiten wurzeln kann, wenn ein
starker Künstlerwille Hand in Hand mit der
Genialität geht. Das Blatt darf nicht Baum
werden sollen, sondern muß ein Teilchen
von ihm bleiben.

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