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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Breuer, Robert: Stil-Brevier
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0056

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Robert Breuer:

JANSEN & MEEUSSEN—BREMEN.

Fremden-Zimmer im Hause Suhren.

vorn nach dem Hintergrund zulaufend, sich
gegenseitig mehr oder weniger verdeckend.
Auch andere der Vollplastik fremde Objekte,
Bäume, Häuser und Wolken, einzelne Blätter,
Girlanden, geometrische Ornamente, darf das
Relief festhalten; niemals aber können die
einzelnen Dinge bildmäßig zu einer Einheit
verschmelzen, das verbindende Medium der
Luft, des Schattens und der Reflexe ist auch
reliefmäßig nicht darstellbar. Es ist auch nicht
besonders stilrichtig, wenn einzelne Körper-
teile, Extremitäten, über die ideell vorgelagerte,
einst in der Angriffseite der Platte existente
Fläche hinausragen, das gibt leicht den Ein-
druck des Hineingeschraubten, Angeklebten.
Im übrigen werden dem Relief in gleicherweise
wie der Rundplastik von dem zur Verwendung
kommenden Material Grenzen gezogen.

Der absolute Naturalismus ist aus physio-
logisch-psychologischen Gründen unmöglich.
Zwischen Natur und Werk steht stets der
Mensch als Medium. Selbst zwei mit mathe-
mathischer Korrektheit für wissenschaftliche
Zwecke hergestellte Zeichnungen desselben
Naturobjektes haben wenn auch noch so mini-
male Abweichungen aufzuweisen-, diese wachsen

mit der Gliederung des Gegenstandes. Von
einer Mauer wird man eher übereinstimmende
Bilder finden als von einem gotischen Dom.
Schaltet die Hemmung und Beeinflussung eines
bestimmten äußeren Zweckes aus, so kommt
ganz von selbst, sogar bei fanatischen Dog-
matikern des Naturalismus, die Individualität
im Sehen und Formen zur vollen Geltung.
: Eine Abweichung vom menschlichen
Körper tut dem Kunstwerk keinen Abbruch
(Volkmann). »Ich komponiere genau so sehr,
wie irgend ein anderer, man merkts nur nicht
so«, sagt Liebermann, und ein andermal:
»Mit der Richtung eines einzigen Pferdebeines
steht und fällt mein ganzes VVetk«. — Da nicht
anzunehmen ist, daß das Modellpferd sein
Bein just in die erforderliche Stellung bringen
wird, so muß der Künstler nach vorher ge-
faßtem Plane arrangieren. Hierzu bedarf es vor
allem einer unbedingt klaren Vorstellung dessen,
was er will, und dann - - man soll's nicht merken.

Die Bewegungsgrenze, die sich der Künstler
für sein Schalten und Walten mit Naturein-
drücken zieht, ist überaus variabel. Feuerbach
sieht in dem Modell die Seele des Künstlers.
Böcklin will, daß man sich unabhängig mache

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