Dr. Emil Utitz—Prag :
CARL WEIDEMEYER— BREMEN.
Schranken setzt, andererseits eigentümliche
Probleme stellt, die nur aus ihr heraus ab-
leitbar sind. Noch auf einen anderen Punkt
will ich aufmerksam machen: des Künstlers
Persönlichkeit verleiht dem Werke eine eigene
Note, eine einzige Besonderheit. Aber die
Persönlichkeit ist ja nichts reif und fertig vom
Himmel gefallenes, sondern etwas, das sich
siegend und kämpfend entwickelt. Und es
entwickelt sich in der Zeit, die ihm tausend
Anregungen entgegenträgt; und es liebt oder
haßt die Zeit; aber es wurzelt in ihr, mag
auch seine Sprache und Geberde weit empor-
wachsen. — Die ganze blühende Mannigfaltig-
keit klassisch griechischer Kunst, ihr uner-
schöpflicher Reichtum treten uns entgegen
als eine große Einheit, in der mächtig sich
das Wunder des griechischen Geistes offenbart;
jene Lebens- und Weltanschauung, deren
warmer, lebensfroher Hauch heute noch er-
quickend, ja begeisternd uns entgegenschlägt!
Und als sie verfiel, als das Herbe sich löste,
und Größe zur Anmut niedersank, da schwanden
die männlichen Heldengestalten, da versank
die Hoheit mächtiger Götterbilder, und es
entstanden die weichen, zarten Formen träume-
rischer Jünglinge und die üppige Pracht
schöner Frauen, wie sie uns in der späteren
Kunst entgegentreten. Und als die Antike
unterging, als der Blick von der lachenden
Welt unbefriedigt sich abwandte, als der Sinn
von außen nach innen sich richtete, wo
zitternd die Seele fror in Glaubenszweifeln
und in Himmelssehnsucht, und als diese Seele
jubelnd sich erhob, da erwuchs auch eine
neue Kunst: eine Kunst der Seele, die ihre
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CARL WEIDEMEYER— BREMEN.
Schranken setzt, andererseits eigentümliche
Probleme stellt, die nur aus ihr heraus ab-
leitbar sind. Noch auf einen anderen Punkt
will ich aufmerksam machen: des Künstlers
Persönlichkeit verleiht dem Werke eine eigene
Note, eine einzige Besonderheit. Aber die
Persönlichkeit ist ja nichts reif und fertig vom
Himmel gefallenes, sondern etwas, das sich
siegend und kämpfend entwickelt. Und es
entwickelt sich in der Zeit, die ihm tausend
Anregungen entgegenträgt; und es liebt oder
haßt die Zeit; aber es wurzelt in ihr, mag
auch seine Sprache und Geberde weit empor-
wachsen. — Die ganze blühende Mannigfaltig-
keit klassisch griechischer Kunst, ihr uner-
schöpflicher Reichtum treten uns entgegen
als eine große Einheit, in der mächtig sich
das Wunder des griechischen Geistes offenbart;
jene Lebens- und Weltanschauung, deren
warmer, lebensfroher Hauch heute noch er-
quickend, ja begeisternd uns entgegenschlägt!
Und als sie verfiel, als das Herbe sich löste,
und Größe zur Anmut niedersank, da schwanden
die männlichen Heldengestalten, da versank
die Hoheit mächtiger Götterbilder, und es
entstanden die weichen, zarten Formen träume-
rischer Jünglinge und die üppige Pracht
schöner Frauen, wie sie uns in der späteren
Kunst entgegentreten. Und als die Antike
unterging, als der Blick von der lachenden
Welt unbefriedigt sich abwandte, als der Sinn
von außen nach innen sich richtete, wo
zitternd die Seele fror in Glaubenszweifeln
und in Himmelssehnsucht, und als diese Seele
jubelnd sich erhob, da erwuchs auch eine
neue Kunst: eine Kunst der Seele, die ihre
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