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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Moser, Koloman: Koloman Moser's Projekt für die Ausmalung der Heil.-Geist-Kirche in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0374

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Daß einem Künstler die gescheiteste Idee
nichts nützt, wenn in ihm nicht gleichzeitig
die Form geboren wird, kann man all diesen
Leuten nicht begreiflich machen. Künstlerisch
Schaffen heißt künstlerische Erlebnisse haben.

Heute kann der Künstler nur in selbst-
gestellten Aufgaben in völliger Freiheit seinen
eigenen Ideen Form verleihen, selten finden
sich einzelne Auftraggeber, die sich dem Wollen
des Künstlers unterordnen, zu den größten
Seltenheiten gehört es, wenn öffentliche Auf-
träge dem Künstler nicht recht lehrreiche
Erfahrungen angedeihen lassen.

So liegt es nahe, jede Gelegenheit zur Her-
stellung einer öffentlichen künstlerischen Auf-
gabe — die weder durch Beirat noch sonstige
Bemutterung beschränkt ist — zu ergreifen,
um zu zeigen, daß nur der Künstler, er nur
einzig und allein, einen Gesamtgedanken zu er-
fassen und bis in dessen letzte Lösungen durch-
zubilden imstande ist. So bei Ideen-Konkur-
renzen. Mag man auch solche Unternehmungen
vom wirtschaftlichen Standpunkt als Kraftver-
geudung ansehen, sie geben doch dem Künstler
Gelegenheit, sein Wollen in Bezug auf öffent-
liche Arbeiten festzustellen.

Freilich dürfen solche Wettbewerbe nicht
durch zahllose Bedingungen rein artistischer
Natur des Künstlers Schaffen fesseln oder
einengen. Eine rühmliche Ausnahme machte
der Wettbewerb für die malerische Aus-
schmückung der Heiligen - Geist-Kirche in
Düsseldorf. Meine Arbeit liegt in Abbildungen
hier vor. Die gestellten Bedingungen waren
so einfach, dem Künstler möglichste Freiheit
wahrend, wie eigentlich jede Konkurrenz oder
jeder Auftrag sein sollte. Nichts als der Bau-
plan der Kirche, der Titel derselben und die
Grenze der zur Verfügung stehenden Mittel
waren die wesentlichsten Angaben. Müssen
solche Fälle so vereinzelt bleiben?

* * *

Speziell eine solche Aufgabe bedingt den
Wandschmuck so anzuordnen, daß die ge-
gebene Architektur in diesem ihre organische
Fortsetzung findet. Alle Teilungen sind in jedem
vernünftigen Gebäude-Entwurf teils in den tek-
tonischen Formen, teils in den rhythmischen
Gliederungen schon vorhanden, durch diese ge-
fordert. So beispielsweise in unserm Falle die
ornamentale Teilung in der Apsis des Hoch-
altares. Sie ist begründet aus dem Abstand
der Fenster vom senkrechten Rand der Apsis
und gibt das Maß für alle weiteren schmücken-
den Teilungen der Halbkuppel, so daß die

Fenster unverrückbar erscheinen. Oder die
senkrechten Teilungen des Mittelschiffes, die
dem Anschluß an die tektonischen Balken
der Holzdecke entspringen. So die Ent-
wicklung der ornamentalen Deckenfüllungen,
die wieder den Teilungen der vier senkrechten
Wände des Mittelschiffes entsprechen, fort-
gesetzt sich kreuzend, organischen Flächen-
schmuck bilden. Weiters z. B. die Bogengröße
der Öffnung an der Epistelseite, um den Ein-
gang an der gegenüberliegenden Evangelien-
seite schmückend wiederholt, im Bogen der
Altarüberdachung immer in gleicher Größe
wiederkehrend etc.

Schwieriger in solchem Fall ist es den
enormen Ideenkreis, den ein solches Thema
bietet, in Hinblick auf die Gesamtwirkung,
den gegebenen Raum und die gegebenen
Mittel genügend einzudämmen. Hier sind
nun jene Einfälle nötig, die gleicherzeit
Inhalt und Form reifen und nur schöpferischen
Künstlern zur Verfügung stehen.

Reihenfolge der Darstellungen. In der
kleinen Vorhalle, an der Decke »es werde
Licht«. An der Tür wand des Einganges
sechs weitere Darstellungen der Schöpfungs-
tage. An der Breitwand, dem Mittelschiff
gegenüber, die Vertreibung aus dem Paradiese.
An der Wand gegenüber dem Eingange Noah,
der Patriarch in der Arche, von der Taube
den Ölzweig erhaltend; d. h. den durch die
Kirche (Arche) geretteten. Im Mittelschiff,
an den beiden Schmalwänden, gegen Chor
und Orgel-Empore, zu Seiten von Schrift-
bildern, die vier großen Propheten des alten
Testamentes. Hinweis auf die vier Evange-
listen. Jesaias, Märtyrer für das Bekenntnis
des zukünftigen Erlösers; Jeremias, trauernd
über die Zerstörung Jerusalems; Ezechiel mit
der Vision des Tores und der Türme und
Daniel, dessen Errettung aus der Löwengrube
auf die Auferstehung hinweist. An den Seiten-
wänden des Schiffes die zwölf kleinen Pro-
pheten. Hinweis auf die zwölf Apostel. Oseas,
»ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer« •,
Joel, die Ausgießung des heiligen Geistes
prophezeiend; Arnos, »wehe denen, die ver-
langen nach dem Tag des Herrn, und er
wird kommen« ; Abdias, »und Retter werden
hinziehen auf den Berg Sion«; Jonas, Er-
innerung an das Leiden, den Tod, das
Grab und die Auferstehung Christi; Michäas,
weissagt, daß der Heiland aus Bethlehem her-
vorgehen werde; Nahum, »wer wird bestehen
vor dem Angesichte des Herrn und wer wird
ihm entgegenstehen ? « ; Habakuk, Vision Gott

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