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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Westheim, Paul: Soziale Verpflichtungen des Kunstgewerblers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0157

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SOZIALE VERPFLICHTUNG DES KUNSTGEWERBLERS.

VON PAUL WESTHEIM- BERLIN.

Alles gewerbliche Schaffen gründet sich auf
. soziale Notwendigkeiten. Daseinsbedürf-
nisse erheischen ihre Befriedigung. DerKunst-
gewerbler ist berufen, sie formal zu organi-
sieren. Wohnräume und Hausgeräte sind als
Stützen der Lebensführung anzusehen. Der
Mensch pflegt die Beziehungen zu seiner fer-
neren und engeren Umgebung zu ordnen nach
den großen Richtlinien üblicher Konventionen.
Konventionen des Geschmacks, der Lebens-
haltung, des geselligen Verkehrs, der sanitären
Erfahrungen und ethischen Anschauungen.
Konventionen, die mit den Lebensprinzipien
jeder neuen Epoche sich wandeln, erneuern
und fortentwickeln. Die Gesellschaft wech-
selt im Lauf der Jahrhunderte ihre Daseins-
geste. Jedem Umschwung folgt eine Ersetzung
der veralteten Gerätformen durch neue, den
veränderten Verhältnissen entsprechende Ge-

staltungen. Der gewerbliche Künstler steht
damit vor der Aufgabe, die hinderliche Un-
bequemlichkeit wegzuräumen und dafür ele-
mentare Kristallisationen des werden-
den Zeitempfindens zu geben.

Eine Gesetzlichkeit, machtvoller als der
Wille des Einzelnen, bestimmt dies Bilden.
Der freie Künstler folgt lediglich dem zünden-
den Gedanken seiner Intuition. Er ringt mit
dem Kosmos, will die rein und groß erschaute
Idee materialisieren, strebt die Materie durch
die Gewalt seiner psychischen Energie zu be-
zwingen. Nicht die Lebensführung, das Leben
selbst bis in die zartesten Wurzeln will er
reinigen, Kraft, Glück und Erlösung spendend.
Anders der Kunstgewerbler. Lösungen wer-
den von ihm gefordert, wo der andere freie
Schöpfungen zu geben hat. Das Zeitbedürf-
nis erwartet von ihm die nützliche und har-

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