DIE XXVI. AUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION.
VON DR. KONRAD VOLLERT.
Das heißumstrittene neue Präsidium der
Berliner Sezession führt sich mit dieser
seiner ersten Ausstellung würdig und ge-
schmackvoll ein. Die wohltätige Strenge der
Jury, gegen die eine trotzige Demonstration
refüsierter Künstler den Beweis der Ungerech-
tigkeit nicht erbringt, hat zur „Hebung des
Niveaus" nicht wenig beigetragen.
Das etwas epigrammatisch zugespitzte Vor-
wort des Katalogs sagt, die Sezession sei kein
Ruhepunkt, sondern — ein Weg. Nun, das hat
sie bewiesen. Doch so lang auch dieser ihr fünf-
zehnjähriger Weg gewesen ist, allzuweit führte
er vom Ausgangspunkte bisher nicht ab, und
schon macht sich auch ein ausgesprochen kon-
servatives Moment geltend. Die bisweilen
ins Anarchische ausschweifenden Versuche
jüngster Richtungen, die man mit einer gewissen
Gewaltsamkeit an erste Stelle zu rücken liebt,
können diesen Eindruck nicht verwischen.
Schon dem Umfang nach dominieren diesmal
die Kollektionen Liebermanns und Trübners.
Sie zeigen das Werk der beiden Künstler in
möglichst weiter zeitlicher Ausdehnung. Bis
1913. x. 1.
in die siebziger Jahre hat man zurückgegriffen:
Liebermanns Studie zum „Altmännerhaus"
und die „Holländische Stickschule", Trübners
„Christus im Grabe", Bildnisse der Eltern und
das „Liebespaar im Buchenwald" zeugen von
der mächtig reifenden Frühzeit dieser Künstler.
Sie zeigen aber auch, mit welch geschlossenen
Kräften die Sezession ihre Bahnbetretenkonnte.
Stellen wir zu diesen beiden noch Leibi, der
auch diesmal unter den Jungen und Lebenden
doppelt jung und lebendig erscheint, so ergibt
sich ein Triumvirat, das — wie es eben diese
Ausstellung wieder erkennen läßt — noch heute
als der eigentliche „Stamm" der Sezession
wirkt. Wenn ich von einem konservativen Zug
sprach, der sich in dieser Sezessionsausstellung
bekundet, so sehe ich ihn ferner auch darin, daß
man bemüht scheint, die Abhängigkeit unserer
heutigen Kunst von dem französischen Impres-
sionismus zu betonen: Renoir, Seurat, Cezanne
und van Gogh sind mit teilweis recht umfang-
reichen Kollektionen vertreten. Freilich mutet
es wie eine etwas boshafte Laune der Aus-
stellungsleitung an, daß man Brockhusen un-
239
VON DR. KONRAD VOLLERT.
Das heißumstrittene neue Präsidium der
Berliner Sezession führt sich mit dieser
seiner ersten Ausstellung würdig und ge-
schmackvoll ein. Die wohltätige Strenge der
Jury, gegen die eine trotzige Demonstration
refüsierter Künstler den Beweis der Ungerech-
tigkeit nicht erbringt, hat zur „Hebung des
Niveaus" nicht wenig beigetragen.
Das etwas epigrammatisch zugespitzte Vor-
wort des Katalogs sagt, die Sezession sei kein
Ruhepunkt, sondern — ein Weg. Nun, das hat
sie bewiesen. Doch so lang auch dieser ihr fünf-
zehnjähriger Weg gewesen ist, allzuweit führte
er vom Ausgangspunkte bisher nicht ab, und
schon macht sich auch ein ausgesprochen kon-
servatives Moment geltend. Die bisweilen
ins Anarchische ausschweifenden Versuche
jüngster Richtungen, die man mit einer gewissen
Gewaltsamkeit an erste Stelle zu rücken liebt,
können diesen Eindruck nicht verwischen.
Schon dem Umfang nach dominieren diesmal
die Kollektionen Liebermanns und Trübners.
Sie zeigen das Werk der beiden Künstler in
möglichst weiter zeitlicher Ausdehnung. Bis
1913. x. 1.
in die siebziger Jahre hat man zurückgegriffen:
Liebermanns Studie zum „Altmännerhaus"
und die „Holländische Stickschule", Trübners
„Christus im Grabe", Bildnisse der Eltern und
das „Liebespaar im Buchenwald" zeugen von
der mächtig reifenden Frühzeit dieser Künstler.
Sie zeigen aber auch, mit welch geschlossenen
Kräften die Sezession ihre Bahnbetretenkonnte.
Stellen wir zu diesen beiden noch Leibi, der
auch diesmal unter den Jungen und Lebenden
doppelt jung und lebendig erscheint, so ergibt
sich ein Triumvirat, das — wie es eben diese
Ausstellung wieder erkennen läßt — noch heute
als der eigentliche „Stamm" der Sezession
wirkt. Wenn ich von einem konservativen Zug
sprach, der sich in dieser Sezessionsausstellung
bekundet, so sehe ich ihn ferner auch darin, daß
man bemüht scheint, die Abhängigkeit unserer
heutigen Kunst von dem französischen Impres-
sionismus zu betonen: Renoir, Seurat, Cezanne
und van Gogh sind mit teilweis recht umfang-
reichen Kollektionen vertreten. Freilich mutet
es wie eine etwas boshafte Laune der Aus-
stellungsleitung an, daß man Brockhusen un-
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