Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

DOI Artikel:
Kehrer, Hugo: Francisco de Zurbarán
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0189

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
FRANCISCO DE ZURBARAN.

VON HUGO KEHRER.

Zurbarän ist der Gegenpol zu Veläzquez,
beide aber bringen das Wesen der spani-
schen Kunst, die in ihrem Gipfel Kunst des
Barock ist, zum klaren Ausdruck. Spanische
Kunst ist die Kunst der großen Gegensätze.
Veläzquez und Zurbarän stellen sie dar, jeder
in seiner Art und nach seinem Stile. Veläzquez
vertritt das Ritterlich-Vornehme, Zurbarän das
Kirchlich-Vornehme, Veläzquez hat den irdi-
schen Hofstaat gemalt, Zurbarän den himmli-
schen, und doch waren beide trotz dieser Ge-
gensätze Landsleute im engsten Sinne und dazu
noch Freunde seit ihrer gemeinsam in Sevilla
verbrachten Jugend. Wie vermochte nun ein
Maler wie Zurbarän, von dem es heißt, er habe
nur Mönche und Heilige, die Gestalten der Le-
gende und die Helden der Kirche gemalt, das
Vornehme überhaupt darzustellen? Das Vor-
nehme brauchte man doch nicht zu betonen,
wenn man Mönche verewigen will. In der Tat,
man kann sie vollkommen verschieden auffassen
und gestalten, wie Francisco de Herrera der
Ältere beweist, den jeder Spanien-Reisende
kennt; denn, Herreras Mönche, so spanisch sie
uns auch anmuten, sind aus einer wesentlich
anderen Stimmung, als wir sie bei Zurbarän
finden, hervorgegangen. Er hat sich seine Mo-
delle in den andalusischen Dörfern geholt, in
den Stätten der Armut und Bedürftigkeit, seine
Mönche sind von merkwürdig ungepflegtem
Äußerem, sind verwahrlost, haben verwitterte,
verkrustete Gesichter und sind völlig unberührt
von aller zeitgenössischen Kultur. Zurbarän
dagegen sucht die berühmte Hochschule der
Franziskaner in Sevilla auf, geht in die Klöster
der Kartäuser und Dominikaner, wo auch die
Adeligen des Landes ihre Zuflucht suchten, und
überall, wo es ihm galt, Mönche darzustellen,
malt er ihre Würde und vornehme Zurückhal-
tung, malt er den Adel der Gesinnung und ihre
religiöse Glut.

Es ist für uns Nordländer nicht leicht, sich
in die psychologische Atmosphäre des 17. Jahr-
hunderts und gar erst in die des spanischen
Barock einzufühlen. Man meint, das Spanische
zu verstehen, wenn man das Italienische be-
griffen hat, indessen Romanisch und Romanisch
sind zweierlei. Das Spanisch-Romanische schei-
det sich streng vom Italienisch-Romanischen,
das ist meine These. Man braucht nur spa-
nische und italienische Porträts zu studieren!
Bei den Spaniern, ganz anders als bei den Ita-

lienern, sind die Ritter und Hidalgos, die Priester
und Mönche dieser Welt gegenüber innerlich
frei, nur dem Jenseits gegenüber fühlen sie sich
gebunden. Einerlei, welche Meister wir heraus-
greifen, sie alle erhärten diese Tatsache. Viel-
leicht aber ist Zurbarän besonders geeignet, uns
die eine Seite des spanischen Wesens, das
Kirchlich-Vornehme, zu erschließen.

Versuchen wir, das Biographische kurz zu
erledigen, so wäre Folgendes zu notieren: Zur-
barän ist Eiauernsohn wie Goya, stammt aus
Fuente de Cantos, an der andalusischen Grenze
Estremaduras. 1598 ist er getauft worden. In
Sevilla ging er 1614 — 1617 in die Lehre: „Er
soll Euch in Eurer Kunst gut und mit Pflicht-
erfüllung dienen, und unter anderm sollt Ihr
ihm sagen, daß er ehrlich und fleißig sei", und
wie es dann in dem interessanten Lehrvertrag
weiter heißt: „Ihr unterrichtet ihn in Eurer
Kunst, so wie Ihr sie versteht, ohne ihm irgend
etwas zu verschweigen, was er erlernen könnte.*)
... „Wenn genannter Francisco während dieser
drei Jahre an den Feiertagen arbeiten will, so
gehört ihm das, was er so verdient, ohne daß
Ihr als Lehrer etwas von ihm fordern könnt.
Ihr gebt ihm in der ganzen Zeit zu essen und
zu trinken, auch Haus und Bett, in welchem er
in Gesundheit und Krankheit schlafe; die ganze
Kleidung aber und das Schuhzeug, welches er
in dieser Zeit nötig hat, soll ihm sein Vater
stellen." Solch alte uad ausführliche Lehrver-
träge sind höchst selten und darum für uns
Moderne von besonderem Wert. In Sevilla
arbeitete Zurbarän bis in die 30er Jahre: 1638
nennt er sich auf einem Bilde „Hofmaler", wo-
mit aber nicht erwiesen ist, er sei auch schon
damals übergesiedelt nach Madrid, nach der
Residenz Philipp IV., in die Nähe von jenem
König, der ihn einmal mit den Worten begrüßt
haben soll: „Pintor del Rey y Rey de los Pin-
tores" (Maler des Königs und König der Maler).
Als dann Veläzquez 1658 zum Santiago-Ritter
ernannt werden sollte und sich der Ordensrat
in Madrid auch bei Zurbarän Aufschluß über
des Veläzquez Stammbaum erbeten hatte, da
sagte unser Maler wörtlich: „40 Jahre kenne
ich seine Eltern, Juan Rodriguez de Silva und
Dona Geronima Veläzquez, aber seine Groß-
eltern väterlicherseits Diego Rodriguez de Silva
und Dona Maria Rodriguez habe ich nicht ge-

*) Hugo Kehrer, »Francisco de Zurban'm« München
1918, Verlag Hugo Schmidt. Mit 88 Abbild. S. 16.

XXVn Juli 1M4. 1
 
Annotationen