SEINE AUFFASSUNG DER NIEDEREN STANDE.
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Rieht mit der beRialifchen Abficht, zu tödten. Die hohändifchen Schiffer und
Bauern fochten — und fechten in den Grenzprovinzen gegen Deutfchland bis
auf den heutigen Tag — mit ihren Meffern, wobei es vor allem, wie beim
deutfehen Studenten-Duell, darauf ankommt, dem Gegner grofse Querfchnitte
auf den Wangen beizubringen, die fogar wie Terzen und Quarten angefagt
wurden. (Siehe z. B. darüber die Stelle in den Denkwürdigkeiten des Freiherrn
von Trenk oder in van Lennep's hübfehem Romane Ferdinand Huyck.) Es find
diefe Kämpfer eben alte Sachfen, d. h. Meffer-Männer.
Was für Rembrandt's geiflige und künfllerifche Bildung gilt, gilt auch guten
'l'heils für den vielleicht nur zwei Jahre jüngeren, mit ihm in Verhältniffen ziem-
lich gleichen Adriaen van Oflade. Es iR früher darauf hingewiefen, wie Elxheimer,
Poelenburg u. f. w. einwirkten, das feine Genrebild Mode ward, die Licht- und
Schatten-Wirkungen das neue Problem für die jungen hohändifchen Künfller
wurden.
Fein und fchmelzend konnte Adriaen auch bei Frans Hals malen lernen.
Der verfland fleh gleichfalls darauf. Erzählt doch auch Idoubraken, Meifler Frans
habe feine Portraits fett und fanftfchmelzend angelegt und danach feine — wie
foll man fagen — Pinfelwürfe angebracht, tagend: nunmufs da noch das Kenn-
zeichen des Meifters hinein! Neben Frans Hals wirkte damals zu Haarlem Jan
Pinas, den man auch für einen Lehrer Rembrandt's anfah. Es gilt hier nur zu
wiederholen, dafs man Rembrandt's Einhuls auf die ihm gleichzeitigen Künfller
nicht zu unmittelbar und diefe nicht gleich als abhängige Nachahmer fafst. Auch
die Anderen fahen und lernten, was er lernte, mochte er fich dann über he —
und zumeiR für uns — erheben, wie hch Shakefpeare oder Rubens über ihre
Nebenbuhler auffchwangen.
So malte Adriaen van Oflade gleich Teniers und Brouwer Bauernbilder —
die damalige grofse Dorlgefchichten-LuR hatte in der Malerei begonnen, 200
Jahre der Dichtung voraus.
Der Kernpunkt von Adriaen's Auffaffung ifl fein Sinn für den inneren Frieden
und die Seelenruhe in der unteren, in der Befchränkung noch zufriedenen, felbft
in der Dumpfheit glücklichen Sphäre. Niemand ruht und geniefst das Kinfachfle
fo abfolut, wie der fchwer arbeitende, noch durch keine Zweifel zerfetzte Unge-
bildete. Es ifl ein Paradiefeszuftand, freilich der niederflen Art, deffen Einheit
und Gleichgewicht und Frieden jedoch der Unruhige, Ehrgeizige, feelifch hch
Zerplagende höherer BildungsRufen oft beneidet, oft mit geiflig-kindlichem, naivem
Reiz umgeben heht, oft freilich auch als thierifch, dumpf und bornirt ver-
achtet. Mit dem Humor, wie gegen das Kind, fchaut nun der idyllifche Geifl
auf diefe niederen ZuRände. Er heht neben und unter dem Groben, Schmutzigen
und Rohen, auch Thierifchen, das Natürliche, Gefunde, Wahrhaftige; er heht
Seelen-Einfalt und Reinheit. Er vergifst darüber das Fehlende. Die niedere
Natur Reht ihm gegen die verfchrobene, lügnerifche, geiRig und äufserlich
trügerifche Unnatur der Uebercultur. Je nach der Gemüthsanlage wird die Be-
trachtung folcher ZuRände fentimental-hnnig, elegifch, pathetifch, heiter-humo-
riRifch oder derb-launig ausfallen. Rembrandt, Milton, denn auch das verlorene
Paradies gehört in den Kreis diefer Empfindungen und der Sehnfucht nach der
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Rieht mit der beRialifchen Abficht, zu tödten. Die hohändifchen Schiffer und
Bauern fochten — und fechten in den Grenzprovinzen gegen Deutfchland bis
auf den heutigen Tag — mit ihren Meffern, wobei es vor allem, wie beim
deutfehen Studenten-Duell, darauf ankommt, dem Gegner grofse Querfchnitte
auf den Wangen beizubringen, die fogar wie Terzen und Quarten angefagt
wurden. (Siehe z. B. darüber die Stelle in den Denkwürdigkeiten des Freiherrn
von Trenk oder in van Lennep's hübfehem Romane Ferdinand Huyck.) Es find
diefe Kämpfer eben alte Sachfen, d. h. Meffer-Männer.
Was für Rembrandt's geiflige und künfllerifche Bildung gilt, gilt auch guten
'l'heils für den vielleicht nur zwei Jahre jüngeren, mit ihm in Verhältniffen ziem-
lich gleichen Adriaen van Oflade. Es iR früher darauf hingewiefen, wie Elxheimer,
Poelenburg u. f. w. einwirkten, das feine Genrebild Mode ward, die Licht- und
Schatten-Wirkungen das neue Problem für die jungen hohändifchen Künfller
wurden.
Fein und fchmelzend konnte Adriaen auch bei Frans Hals malen lernen.
Der verfland fleh gleichfalls darauf. Erzählt doch auch Idoubraken, Meifler Frans
habe feine Portraits fett und fanftfchmelzend angelegt und danach feine — wie
foll man fagen — Pinfelwürfe angebracht, tagend: nunmufs da noch das Kenn-
zeichen des Meifters hinein! Neben Frans Hals wirkte damals zu Haarlem Jan
Pinas, den man auch für einen Lehrer Rembrandt's anfah. Es gilt hier nur zu
wiederholen, dafs man Rembrandt's Einhuls auf die ihm gleichzeitigen Künfller
nicht zu unmittelbar und diefe nicht gleich als abhängige Nachahmer fafst. Auch
die Anderen fahen und lernten, was er lernte, mochte er fich dann über he —
und zumeiR für uns — erheben, wie hch Shakefpeare oder Rubens über ihre
Nebenbuhler auffchwangen.
So malte Adriaen van Oflade gleich Teniers und Brouwer Bauernbilder —
die damalige grofse Dorlgefchichten-LuR hatte in der Malerei begonnen, 200
Jahre der Dichtung voraus.
Der Kernpunkt von Adriaen's Auffaffung ifl fein Sinn für den inneren Frieden
und die Seelenruhe in der unteren, in der Befchränkung noch zufriedenen, felbft
in der Dumpfheit glücklichen Sphäre. Niemand ruht und geniefst das Kinfachfle
fo abfolut, wie der fchwer arbeitende, noch durch keine Zweifel zerfetzte Unge-
bildete. Es ifl ein Paradiefeszuftand, freilich der niederflen Art, deffen Einheit
und Gleichgewicht und Frieden jedoch der Unruhige, Ehrgeizige, feelifch hch
Zerplagende höherer BildungsRufen oft beneidet, oft mit geiflig-kindlichem, naivem
Reiz umgeben heht, oft freilich auch als thierifch, dumpf und bornirt ver-
achtet. Mit dem Humor, wie gegen das Kind, fchaut nun der idyllifche Geifl
auf diefe niederen ZuRände. Er heht neben und unter dem Groben, Schmutzigen
und Rohen, auch Thierifchen, das Natürliche, Gefunde, Wahrhaftige; er heht
Seelen-Einfalt und Reinheit. Er vergifst darüber das Fehlende. Die niedere
Natur Reht ihm gegen die verfchrobene, lügnerifche, geiRig und äufserlich
trügerifche Unnatur der Uebercultur. Je nach der Gemüthsanlage wird die Be-
trachtung folcher ZuRände fentimental-hnnig, elegifch, pathetifch, heiter-humo-
riRifch oder derb-launig ausfallen. Rembrandt, Milton, denn auch das verlorene
Paradies gehört in den Kreis diefer Empfindungen und der Sehnfucht nach der