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ADRIAEN VAN OSTADE.
einfachen Natur, Oftade, Teniers, Brouwer mögen an den Umfang diefer Gefühle
erinnern.
Adriaen van Oftade wurde der holländifche bäuerliche Theokrit. Wenige
haben ihm fo gut nachempfunden, wie der junge Goethe, der im väterlichen
Haufe von Kindheit an Künftler fah, die lieh Rembrandt, Sachtleven und andere
Niederländer zu Muttern genommen hatten, der nach dem Befuch der Dresdener
Galerie bei feinem Schulter fpeciell unfern Oftade wiederfand — "Stellung der
Gegenftände, Licht, Schatten, bräunlicher Teint des Ganzen, magifche Haltung,
alles was man in jenen Bildern bewundert« und der im Werther auch vor dem Rotz-
näschen keine Scheu hatte.
Leben der Natur! Freude am Natürlichen! Diefe Poefie der Wirklichkeit
klingt damals eben in allen echt niederländifchen Malern wieder und entzückt
und ift ewig, wie jede wahre Poehe!
In den äufseren Formen zu idealifiren, fiel Adriaen van Oftade fo wenig ein,
wie Frans Hals oder Rembrandt. Im Gegentheil. Für feine Bauern folgt er
dem alten humoriftifchen Gefchmack, dafs er die Formen lieber noch karrikirend
in's Niedere drückt. Er taucht freilich fein Bild in ein idealifirendes, fanfteres,
humoriftifch-mildes Gefühl und malt es in der entfprechenden Weife, aber die
Figuren lind nicht reizend; da wird nicht dasPathetifche bedeutenderer Leiden-
fchaft oder des Schmerzes, nichts Heldenhaftes, Tragifches, Dämonifches u. f. w.
im Stil neuerer Zeit und jetziger Tendenz-Vertreter gefucht. Diefer Humorift
läfst das Gemeine gemein, ja fucht es, und fürchtet lieh nicht vor dem Rohen,
das er lachend beherrfcht. (Man denke für Adriaen van Oftade wieder an
Boz Dickens' Humor und das Hell-Dunkel der Gefühle, mit dem auch diefer
das Niedere und in Wirklichkeit Zerlumpte und Schmutzige zu verklären wufste.)
Der Menfchenfchlag, den Adriaen van Oftade am liebften fchildert, ift kurz-
ftumpig, dicknäfig, dickbackig, durchgehends dumpfblickend, abforbirt in feinem
Treiben in Hütte und Schenke, in der Haltung und mit dem Ausdruck, wie lie
ermüdende, geiftlofc Arbeit für die nordifchen Völkerfchläge leider in ganz be-
fonderer Weife mit lieh zu bringen fcheint. Kurz gefagt, lind die Proportionen
für Bauern in Albrecht Dürer's Proportionslehre mafsgebend. (Dafs man Dürer's
Schriften kannte und feine Aefthetik des Realismus, dafür zeugt Rembrandt's
Bücherkatalog.)
Das Dumme, Gutmüthig-Stupide, das Dumpfe, Gottergebene der Niedrigkeit
ward Adriaen's Force. Der geniale Künftler beherrfchte natürlich auch die anderen
naheliegenden Gebiete feines Kreifes, doch in diefen waren Teniers und Brouwer
ihm gleich oder überlegen.
Friedliche, ruhigere Scenen lind ihm die liebften. Seltener tanzen, tollen
und raufen feine Bauern und Tagwerker. Das fitzt, ifst, trinkt, raucht, zecht,
fpielt. Das lehnt in der Thür, plaudert vor dem Haufe und in der Schenke.
Auch Adriaen fucht das Volk noch nicht "bei der Arbeit.« Das Betonen der
Arbeit felbft, für den Bauernftand Bilder, die uns den Landmann bei Pflug und
Egge, Senfe, Spaten und Hacke zeigen, etwa das Grasmähen frühmorgens im
Thau, das Garbenbinden in heifser Mittagsglut, das Pflügen am nafskalten Herbft-
tage oder das müde Abbrechen der Arbeit, wenn die Abendglocke über das
ADRIAEN VAN OSTADE.
einfachen Natur, Oftade, Teniers, Brouwer mögen an den Umfang diefer Gefühle
erinnern.
Adriaen van Oftade wurde der holländifche bäuerliche Theokrit. Wenige
haben ihm fo gut nachempfunden, wie der junge Goethe, der im väterlichen
Haufe von Kindheit an Künftler fah, die lieh Rembrandt, Sachtleven und andere
Niederländer zu Muttern genommen hatten, der nach dem Befuch der Dresdener
Galerie bei feinem Schulter fpeciell unfern Oftade wiederfand — "Stellung der
Gegenftände, Licht, Schatten, bräunlicher Teint des Ganzen, magifche Haltung,
alles was man in jenen Bildern bewundert« und der im Werther auch vor dem Rotz-
näschen keine Scheu hatte.
Leben der Natur! Freude am Natürlichen! Diefe Poefie der Wirklichkeit
klingt damals eben in allen echt niederländifchen Malern wieder und entzückt
und ift ewig, wie jede wahre Poehe!
In den äufseren Formen zu idealifiren, fiel Adriaen van Oftade fo wenig ein,
wie Frans Hals oder Rembrandt. Im Gegentheil. Für feine Bauern folgt er
dem alten humoriftifchen Gefchmack, dafs er die Formen lieber noch karrikirend
in's Niedere drückt. Er taucht freilich fein Bild in ein idealifirendes, fanfteres,
humoriftifch-mildes Gefühl und malt es in der entfprechenden Weife, aber die
Figuren lind nicht reizend; da wird nicht dasPathetifche bedeutenderer Leiden-
fchaft oder des Schmerzes, nichts Heldenhaftes, Tragifches, Dämonifches u. f. w.
im Stil neuerer Zeit und jetziger Tendenz-Vertreter gefucht. Diefer Humorift
läfst das Gemeine gemein, ja fucht es, und fürchtet lieh nicht vor dem Rohen,
das er lachend beherrfcht. (Man denke für Adriaen van Oftade wieder an
Boz Dickens' Humor und das Hell-Dunkel der Gefühle, mit dem auch diefer
das Niedere und in Wirklichkeit Zerlumpte und Schmutzige zu verklären wufste.)
Der Menfchenfchlag, den Adriaen van Oftade am liebften fchildert, ift kurz-
ftumpig, dicknäfig, dickbackig, durchgehends dumpfblickend, abforbirt in feinem
Treiben in Hütte und Schenke, in der Haltung und mit dem Ausdruck, wie lie
ermüdende, geiftlofc Arbeit für die nordifchen Völkerfchläge leider in ganz be-
fonderer Weife mit lieh zu bringen fcheint. Kurz gefagt, lind die Proportionen
für Bauern in Albrecht Dürer's Proportionslehre mafsgebend. (Dafs man Dürer's
Schriften kannte und feine Aefthetik des Realismus, dafür zeugt Rembrandt's
Bücherkatalog.)
Das Dumme, Gutmüthig-Stupide, das Dumpfe, Gottergebene der Niedrigkeit
ward Adriaen's Force. Der geniale Künftler beherrfchte natürlich auch die anderen
naheliegenden Gebiete feines Kreifes, doch in diefen waren Teniers und Brouwer
ihm gleich oder überlegen.
Friedliche, ruhigere Scenen lind ihm die liebften. Seltener tanzen, tollen
und raufen feine Bauern und Tagwerker. Das fitzt, ifst, trinkt, raucht, zecht,
fpielt. Das lehnt in der Thür, plaudert vor dem Haufe und in der Schenke.
Auch Adriaen fucht das Volk noch nicht "bei der Arbeit.« Das Betonen der
Arbeit felbft, für den Bauernftand Bilder, die uns den Landmann bei Pflug und
Egge, Senfe, Spaten und Hacke zeigen, etwa das Grasmähen frühmorgens im
Thau, das Garbenbinden in heifser Mittagsglut, das Pflügen am nafskalten Herbft-
tage oder das müde Abbrechen der Arbeit, wenn die Abendglocke über das