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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,2): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Berlin, 1878

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Lemcke, Carl von: Adriaan van der Werff: geb. in Kralinger-Ambacht 1659, gest. 1722
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https://doi.org/10.11588/diglit.34542#0212

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ADRIAAN VAN DER WERFF.

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Friedrich der Große fpäter ßgte, Holland zum Boot im Schlepptau des Kriegs-
fchiffes England gemacht habe. Wilhelm BI. aber hatte wenigftens die Entfchul-
digung, daß die Holländer feit dem Jahre 1650 ihn und feine Familie durch Liebe
nicht verwöhnt und das Gefühl des Undanks hohen gelehrt hatten: Holland und
England hatten in diefer Beziehung io ziemlich gleiche Berechtigung für den durch
lein Schicldäl im perfonlich nationalen Gefühl kaltherzig gewordenen, von den alten
Würden feiner Familie ausgefchloffenen Sprößling Wilhelm's II. von Oranien und
der Tochter des Karl Stuart. Die Holländer hatten nach 1650 fich felbh ver-
wandelt, fich in Wohlfland beruhigt und die alte Energie als unbequem fahren
Iahen. Was vor 16/2 nicht durchgebildet ift, hat den alten holländifchen Geih
nicht mehr; dies Gefchlecht läßt fein Vaterland von der Höhe finken, zu welcher
die früheren Generationen es emporgehoben hatten. Epigonenthum oder Nach-
ahmung Frankreichs und überhaupt der Fremde trat an die Stelle der oft rauhen,
bürgerlich eckigen und anmuthslofen aber großartigen Selbftändigkeit und Selbft-
zufriedenheit. Natürlich nicht mit einem Male durch das ganze Volk; langfam,
wie er geworden, verliert fich auch fblcher Geih, und er ih glücklicher Weife
noch heute nicht ganz erlofchen, Angefichts der Thaten und Werke der Vorzeit.
Aber das Walten der eigentlich fchöpferifch zeugenden Kraft in ihrem Waclhen
und Verfallen hudirt man an den Leihungen der großen Männer, welche ihren
Zeiten neue Ideen, Anfchauungen und Anregungen geben — und in diefer Be-
ziehung trat Holland mit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts feine Rolle an
England ab, indem es fich freiwillig dem Einfluß des Gegners beugte, dem es nach
dem Vorkampf gegen den lpanifch-italienifch-katholifchen Geih für die germa-
nifch-protehantifchen Völker Widerhand geleihet hatte, dem franzöfifchen Ge-
fchmack. Dies zeigt fich auch bedeutßm, wenngleich durch die voraufgegangene Ent-
wickelung in befbnderen Formen, in der holländifchen Meiherkunh, in der Malerei.
Wie der heinalte Meiher Frans Hals und wie Rembrandt van Rijn wohl vor
den Werken des neuen Gefchmacks ihrer letzten Jahre und über deren Principien
gemurrt und die Achfeln gezuckt haben! Sie hatten vor den Göttern der großen
Renaiffance, vor Michelangelo, Raffael und den zu ihrer Jugendzeit ausgerufenen
italienifchen und anderen Göttern die Kniee nicht gebeugt, londern waren ruhig
ihres Weges gegangen, und nun tollten fie vor PouiEn fich neigen und mußten
oder konnten noch hören, daß Lebrun Alles überhrahle. Daß für das Publicum
van Mieris^ Malerei die Perlen der Kunh ergebe und mit Gold aufgewogen werden
müffe, das Große, Breit-Gemalte dagegen nicht ankomme, das war ihnen längh
durch die Bilderpreife für Mieris^ Manier und für ihre eigenen Werke deutlich
gemacht worden.
Wir können den eintretenden Umfchwung der Kunhanfchauungen in Holland
nirgends deutlicher erkennen als in Gerard de Laireffe's Groot Schilderboek, das
nach den Vorträgen gedruckt ih, welche der feit 1690 erblindete Meiher in einem
Kreife von Künhlern und Kunhfreunden zu halten pflegte. Gerard de Laireffe
war geboren in Lüttich (1640), deffen Bisthum damals noch zum wehfälifchen
Kreife gehörte und von deutfchen Kirchenfürhen verwaltet wurde. Sein Vater
war Hofmaler des Fürhbifchofs. Gerard wurde Schüler des in Italien gebildeten,
in Paris hochangefehenen und fpäter durch Seguier und Colbert dort zum Pro-
feffor an der Akademie ernannten Bertholet Flemalle. Frühzeitig bekam Gerard
Ruf, malte Bilder für die Kurfürhen von Brandenburg und Köln, nahm viel Geld
 
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