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Dohme, Robert; Dohme, Robert [Editor]; Lücke, Hermann [Editor]
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (3): Kunst und Künstler Spaniens, Frankreichs und Englands bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1880

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Regnet, Carl Albert: Charles Lebrun: geb. 1619, † 1690
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https://doi.org/10.11588/diglit.36321#0213

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39

SEIN STIL.

Heb der KünfHer, vielleicht mit in Folge feiner Ueberhäufung mit Aufträgen,
mehr und mehr von der Natur entfernt und in einen Manierismus hineinge-
arbeitet hat, der die unendliche Verfchiedenheit der menfchlichen Züge aufser
Acht läfst, weil er fleh durch Reflexion ein gewiffes Schema gebildet hat. Und
namentlich hierdurch fleht Lebrun viel weniger hoch als Nicolas Pouffn, den
felbfl feine Eleganz nicht monoton werden läfst. Elegant aber kann Lebrun am
wenigflen genannt werden; dazu ifl feine Zeichnung zu kühn und find feine
Figuren zu gedrungen. — Was von den Geflchtszügen getagt worden, gilt eben-
falls von den Gebehrden. Auch hier vermiffen wir vielfach die der Natur abge-
laufchte Abwechslung und fehen an ihrer Stelle eine Einförmigkeit, innere Leere
und Emphafe, eine hohle Deklamation und theatralische Uebertreibung, deren
Vorbilder der Ktinftler dem Hofe feines eitlen Königs entnommen hat.
Was den Faltenwurf feiner Gewänder anbelangt, fo erfcheint derfelbe im All-
gemeinen gut gelegt und lälst die Formen des Nackten gut durchblicken; auch
hat Lebrun dabei die Natur des Stoffes, gewiffenhaft wie er in allen Dingen,
namentlich in Nebenfachen war, Aeifsig in Betracht gezogen. Aber er reicht
auch hierin nicht an Nicolas Pouffn hinan, weder in Bezug auf den Adel noch
hinfichtlich der Abwechfelung der Formen.
Seine fchwächfte Seite ift die Farbe. Vor feinen Bildern gedenken wir un-
willkürlich der Worte de Pilesk ^Les jeunes peintres qui reviennent de Rome,
paffent ordinairement ä Venife pour prendre au moins quelque teinture du bon
colorit: mais Lebrun iPeüt pas cette curiofte.K Er mufste die Folgen davon
tragen, dals er das nicht in Ach verlpürte, was de Piles eine Bcuriofite« nennen
zu müffen glaubte. Dennoch konnte ein fo klar denkender Ktinftler wie Lebrun
unmöglich über die Bedeutung der Farbe im Zweifel fein; er mufste wiffen, dafs
he neben Compoftion und Zeichnung ein wefentlicher Beftandtheil feiner Kunft ift.
Er hatte auch Annibale Caracci zu eingehend ftudirt, als dafs ihm hätte entgehen
können, welche Erfolge derfelbe der Harmonie feiner Farbengebung zu verdanken
hatte. So bleibt es denn räthfelhaft genug, dafs er, als ihm die Gelegenheit fo nahe
lag, kein Verlangen danach trug, die farbenprächtigen Meifter der venetianifchen
Schule da kennen zu lernen, wo ihre bedeutendften Werke zu finden waren.
In Folge diefes Verlaumniffes blieben ihm auch die Geheimniffe des Helldunkels
verfchloffen, ohne deffen Zauber auch der begabtefte Ktinftler fleh vergebens
damit abmtiht, feiner Darftellung im Einzelnen Rundung und Freiheit, und im
Ganzen Deutlichkeit, Ordnung und Zufammenhang zu geben.
Richtig ift, dafs Lebrun feinen Lehrer Vouet in Bezug auf das Colorit weit
überflügelte, indem er daffelbe mäfsigte und der Natur näher brachte; aber gleich-
wohl werden auch feine wärmften Verehrer zugeben müffen, dafs er feine Haupt-
farben ohne Wahl und Feinheit unvermittelt neben einander zu ftellen kein Be-
denken trug; dafs felbft feine Lokalfarben, Sowohl was das Stoffliche als was die
Carnation betrifft, im Allgemeinen unfehön und unwahr And, dafs er Ae frifchweg,
wie er Ae auf die Palette gefetzt, auf feine Bilder übertrug, dafs er zu wenig
Sorge trug, feine GegenAände mit der gehörigen Kraft abzurunden, die im Be-
fchauer den Eindruck von Naturwahrheit hervorruft.
Aber das Alles gilt doch zumeiA nur von feinen früheren Arbeiten; in feinen
Gemälden aus dem Leben Alexander's des Grolsen zeigt Ach ein entlchiedener
Fortlchritt nach diefer Seite. Namentlich war es ihm in diefer Periode feines
 
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