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Dohme, Robert; Dohme, Robert [Hrsg.]; Lücke, Hermann [Hrsg.]
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (3): Kunst und Künstler Spaniens, Frankreichs und Englands bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1880

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Regnet, Carl Albert: Pierre Mignard: geboren im November 1610, † 6. Mai 1695
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https://doi.org/10.11588/diglit.36321#0228

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PIERRE M1CNARD.

Bald nach Antritt feiner neuen Steilung erwarb lieh Mignard das groise Ver-
dient um die Kunft, für den Stich der Hauptwerke in den Gemäldefammlungen
zu Verfailles, Saint Cloud u. f. w. zu forgen. Dann zeichnete er im Aufträge
Louvois' im grofsen MaFftabe gehaltene Entwürfe für Fresken, mit denen die
Kuppel des Invalidendomes gefchmückt werden follte, deren Ausführung aber
der Tod des Meifters verhinderte.
Zu seinen letzten bedeutenden Werken zählen aufser den Porträts des Kö-
nigs und der Maintenon mehrere gröfsere hiftorifche und religiöfe Bilder:
eine Kreuztragung, heut im Louvre; ein h. Johannes in der Wüfte, für den
König von Spanien gemalt; das Wunder des h. Dionys; ein Chriftus mit dem
Schilfrohr, der Santeuil zu einem lateinifchen Gedicht begeifterte; die Familie
des Königs Darius vor Alexander dem Grofsen und eine hgurenreiche Peft in
Epirus.
Obwohl feine Kräfte allmälig fehr nachgelaffen, führte er doch den Pinfcl,
fo lange er ihn zu halten vermochte. Als er aber ernftlich erkrankt war, fchickte
der König jeden Tag zweimal einen Kurier, fleh nach feinem Befinden zu erkun-
digen. Seine Lage genau erkennend, hauchte der Künftler am ßi. Mai 169$
zwilchen 6 und 7 Uhr Morgens feine Seele aus. Der König aber erklärte öffent-
lich, eine Stelle, die Männer wie Lebrun und Mignard fo rühmlich ausgefüllt,
folle nicht wieder befetzt werden: er wolle keinen erften Hofmaler mehr.
Mignard hinterliefs drei Söhne und eine Tochter, Katherine, in deren Armen
er ftarb. Sie blieb nach ihres Vaters Ableben am Hofe und vermählte hch 1696
mit dem Grafen Jules de Feuquicres, Oberft und General-Lieutenant der Provinz
Toul. Er hat he als Fama, fein Porträt haltend, gemalt (s. die Abbildung Seite 4$),
und bediente fleh ihrer in gleicher Weife wie in früheren Tagen ihrer Mutter
vielfach als Modell; ein Umftand, der Lebrun zu den Worten veranlagte: Cet
homme est bien heureux de trouver dans sa maifon des modeles plus beaux que
les ftatues antiques.

Mignard entwickelte eine ftaunenswerthe Vielfeitigkejt, indem er nicht blos
Porträts und hiftorifche Bilder, fondern auch Thiere, Landfchaften und Architektur
malte. Seine Cabinetsftücke find von nicht geringerem Wcrthc als feine Wand- und
Deckengemälde. Am gröfsten aber erwies er hch im Porträt, in welchem er den
beften Meiftcrn aller Zeiten gleichgeftellt werden darf. Er hielt viel auf Correct-
heit der Zeichnung und war in Bezug auf diefe gegen hch iclbcr nicht minder
ftreng als gegen Andere, liefs hch aber gleichwohl nach diefer Seite hin manchen
Verftofs zu Schulden kommen.
Bei feiner Rückkehr nach Frankreich zählte er bereits achtundvierzig Jahre;
was er nach diefer Zeit fchuf, fällt fomit in eine Zeit, in welcher der Künftler
feine Entwickelungszeit längft hinter hch hatte, und das mufs bei deren Beur-
theilung ohne Zweifel mit in Betracht gezogen werden.
Seine Begabung war weniger bedeutend, als man nach der ihm durch feine
Landsleute zu Theil gewordenen Vergötterung anzunehmen verfucht fein könnte,
aber immerhin bedeutend genug, um ihn zu einem der berühmteften franzöhfchen
Künftler zu machen. Dazu trug nicht wenig bei, dafs er, in jeder Beziehung ein
 
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