Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert; Dohme, Robert [Editor]; Lücke, Hermann [Editor]
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (3): Kunst und Künstler Spaniens, Frankreichs und Englands bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1880

DOI article:
Regnet, Carl Albert: Pierre Mignard: geboren im November 1610, † 6. Mai 1695
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36321#0229

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SEIN STIL UND SEINE BEDEUTUNG.

55

Kind feiner Zeit, klug genug war, der allgemeinen Gefchmacksrlchtung zu hul-
digen, die weniger Tiefe als Anmuth verlangte. Diele Anmuth aber wird nicht
feiten zur Süßlichkeit, namentlich in feinen Madonnen, welche fich lediglich als
fchöne, liebenswerthe Frauen erweilen, aber keine Spur von jener Göttlichkeit an
sich tragen, welche denen des großen Urbinaten innewohnt. Es geht ein weib-
licher Zug durch feine Bilder, fowohl was die Compofition, als was das Colorit
betrifft, und darin hat er eine gewiLe Aehnlichkeit einerfeits mit Saffoferrato,
andrerfeits mit Carlo Dolci und Albani. Diele Anmuth war es, die ihn zum
Liebling der Frauen machte. Die Frauen aber gaben damals am franzölifchen
Hole auch in der KunL den Ton an; und wenn feine Anmuth oft genug zur
Geziertheit ward, fo gereichte das dem Künftler am wenigLen in einer Zeit zum
Nachtheil, der alle Natur abhanden gekommen war, und die am Theatralilchen
nur zu viel Gefallen fand. Sein Colorit läßt im Allgemeinen durch leine Wärme,
Klarheit, feinen Glanz und Schmelz erkennen, daß er lieh das Studium guter
alter Meifter hat angelegen lein Iahen, doch es ftreift nicht feiten anß Bunte.
Mängel aber, wie die angedeuteten, können auch durch Vorzüge, wie lie Mignard
unverkennbar belals, nicht ganz aufgewogen werden, felblt wenn zu dielen Vorzügen
die feine Auffaffung und liebevolle, höchft lbrgfältige und theilweile logar lein-
kräftige Ausführung hinzukommen, welche namentlich leine Porträts kennzeichnen.
Sehr glücklich war unter Künftler übrigens in der Behandlung des Nackten, das
er außerordentlich Ichön, weich und kräftig zugleich, darzuftellen wuiste.
Nach feinem Tode ward Mignard allmälig weniger begeiftert gerühmt, als es
von Seite feiner Zeitgenoffen und namentlich durch Moliere, Scarron, La Bruyere,
Madame de Sevigne und andere ihm befreundete Männer und Frauen gelchehen
war, welche zugleich unter dem Einflüße der herrlchenden Geichmacksrichtung
Landen. Aber wenn auch die Gegenwart keine Luft hat, in den von jenen ange-
ftimmten Lobgeßng einzufallen, fo iß lie doch gerecht genug, des Künftlers
wirkliche Verdienfte ohne Rückhalt anzuerkennen. Freilich weiß lie auch, daß
er nicht Lei war von Hablucht, Eiterlucht und Eitelkeit, wie er denn nach leiner
Ernennung zum Akademiedirector dem Herkommen zuwider als fbgenanntes
tableau de reception nicht den Stich nach einem Werke eines anderen großen
Meifters, fondern nach leinem Fresko im Val-de-Gräce vertheilen ließ.
Daß die beften Stecher leiner Zeit es lieh zur Ehre rechneten, nach des bei
Hofe fo angefehenen Künftlers Werken zu Lechen, bedarf keiner Erläuterung.
Wir hnden unter ihnen Gerard und Benoit Audran, Frangois, J. B. und Nicolas
de Poilly, Gerard Edelinck, Daullc, Claude Duflos, Frangois Chereau u. A.
Seine Handzeichnungen bieten für einen KünLler, der lieh mit dem Pinfel lo
viel Ruhm erwarb, verhältnifsmäffig wenig Intereffe. Die Mehrzahl derfelben beLeht
aus einfachen Contouren, mit dem BleiLift gezogen; nur hier und da lind Schatten-
partien angedeutet. Andere lind mit der Feder umriffen und mit chinelifcher
Tußhe oder auch mit BiLer kräftig Ichraffirt; in anderen endlich lind die höchLen
Lichter mit Weiß aulgeletzt. Sehr beliebt waren einL feine mit drei Kreide-
StiLen ausgeführten Porträts.
 
Annotationen