CLAUDE LORRAIN,
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Da iA alfo keine Rede davon, dals Claude ein ungelehriger Junge gewefen,
den man, wei! er zu nichts anderrn getaugt, zu einem PaAetenbäcker in die Lehre
gelchickt, und der dann mit Andern feines gleichen auf der WanderlchaA nach
Rom kam.
Auf welcher Seite liegt nun die Wahrheit? Es kommt darauf an, die Glaub-
würdigkeit der Quellen zu prüfen.
Baldinucci nennt als die, aus welcher er feine Mittheilungen über unfres
KünAlers Jugendzeit gelchöpft, einen Neffen deffelben, Jolef Gelee, der damals
in Rom Theologie Audirte, lpäter aber lieh dort verheirathete. Mit dem KünAler
felbA Icheint er nicht in Berührung gekommen zu fein. Ob dieler Jolef Gelee
zu feinem Oheim in näheren Beziehungen Aand, darüber willen wir nichts. Es
unbedingt anzunehmen, mühen wir AnAand nehmen, da erfahrungsgemäls lolche
Beziehungen zwilchen Verwandten in ungleichen Alters- und Lebensverhältniflen,
wie he auch hier Vorlagen, leiten genug zu fein pflegen: unler KünAler Aand
damals bereits auf der Höhe feines Ruhmes und ieines Glückes, und es Ipricht
wenig Wahrlcheinlichkeit dafür, dals er hch mit leinem Neffen über lein Vorleben
unterhielt. Dagegen ericheint es natürlich genug, dals er darüber mit einem Alters-
genoffen Iprach, der zu gleicher Zeit lein Freund und StandesgenoAe war, wie
Sandrart. War Gelee ferner nach Sandrarfs Worten kein greiser Hofmann, fo
heilst das wohl io viel als ein offener, gerader Charakter, dem die Wahrheit mehr
galt als die gefellige Form; war er endlich gutherzig und Aomm, fo dürfen wir
wohl auch annehmen, dals er dem langjährigen Freunde gegenüber aus feinem
befcheidenen Vorleben kein Hehl machte, und langjähriges Beilammen-Wohnen
und gemeinlchaftliche Studienausflüge, wie Sandrart he erwähnt, boten hcher
Gelegenheit genug zu gegenleitigen Mittheilungen. So darf man Sandrart über
feines Freundes Jugenderlebniffe wohl beffer unterrichtet halten als die Söhne
feiner Brüder, die, in weiter Ferne lebend, wohl wenig Verkehr mit dem als grolser
Herr lebenden Oheim hatten, bis einer von ihnen zu leinem HaushofmeiAer be-
Aellt ward und nach Gelee's Ableben ein zweiter nach Rom ging, um hch mit
dielem in die Erblchaft zu thcilen.
Hatte Gelee, wie Baldinucci des KünAlers Neffen nacherzählt, wirklich bereits
bei leinem Bruder zu Freiburg im Breisgau hch im Zeichnen von Ornamenten
(rubeschi e fogliami) geübt, io muls es in hohem Grade auAallen, dals Sandrart
erzählt, Gelee habe, nachdem er hch in der Perlpective informirt, hch aufs Zeich-
nen verlegt Wo ihm aber gar nicht anAändig war, dann er keine einige Manier
noch Zierlichkeit annehmen konnte.« Im Malen war Gelee, wenn wir Sandrart
recht verAehen, lein eigener Lehrer. Nur io erklärt es hch nämlich, dals er gar
keine Ahnung davon hatte, dals man unmittelbar nach der Natur malen könne,
bis er eines Tages Sandrart bei dem Waflerfall in Tivoli Studien nach der Natur
machen Iah. Bis dahin war er viele Jahre ^täglich in das Feld hinaus und den
weiten Weg wieder heim gelaufen,« um die draulsen geiehenen Farben auf das Werk,
welches ihn belchäftigte, anzuwenden. Er hatte freilich in eines Malers Haus ge-
lebt, aber nur Farben gerieben, Palette und Pinlel geputzt und die Küche beAellt.
Als die NeAen Gelee's durch feinen Nachlafs zu reichen Leuten geworden,
mag es ihnen vielleicht, wie manchem anderen Emporkömmling auch, angemeffen
erlchienen lein, dem Italiener, der he über ihres verAorbenen Oheims Jugendzeit
ausfragte, eine Gefchichte zu erzählen, die der vieler anderer KünAler ähnlich
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Da iA alfo keine Rede davon, dals Claude ein ungelehriger Junge gewefen,
den man, wei! er zu nichts anderrn getaugt, zu einem PaAetenbäcker in die Lehre
gelchickt, und der dann mit Andern feines gleichen auf der WanderlchaA nach
Rom kam.
Auf welcher Seite liegt nun die Wahrheit? Es kommt darauf an, die Glaub-
würdigkeit der Quellen zu prüfen.
Baldinucci nennt als die, aus welcher er feine Mittheilungen über unfres
KünAlers Jugendzeit gelchöpft, einen Neffen deffelben, Jolef Gelee, der damals
in Rom Theologie Audirte, lpäter aber lieh dort verheirathete. Mit dem KünAler
felbA Icheint er nicht in Berührung gekommen zu fein. Ob dieler Jolef Gelee
zu feinem Oheim in näheren Beziehungen Aand, darüber willen wir nichts. Es
unbedingt anzunehmen, mühen wir AnAand nehmen, da erfahrungsgemäls lolche
Beziehungen zwilchen Verwandten in ungleichen Alters- und Lebensverhältniflen,
wie he auch hier Vorlagen, leiten genug zu fein pflegen: unler KünAler Aand
damals bereits auf der Höhe feines Ruhmes und ieines Glückes, und es Ipricht
wenig Wahrlcheinlichkeit dafür, dals er hch mit leinem Neffen über lein Vorleben
unterhielt. Dagegen ericheint es natürlich genug, dals er darüber mit einem Alters-
genoffen Iprach, der zu gleicher Zeit lein Freund und StandesgenoAe war, wie
Sandrart. War Gelee ferner nach Sandrarfs Worten kein greiser Hofmann, fo
heilst das wohl io viel als ein offener, gerader Charakter, dem die Wahrheit mehr
galt als die gefellige Form; war er endlich gutherzig und Aomm, fo dürfen wir
wohl auch annehmen, dals er dem langjährigen Freunde gegenüber aus feinem
befcheidenen Vorleben kein Hehl machte, und langjähriges Beilammen-Wohnen
und gemeinlchaftliche Studienausflüge, wie Sandrart he erwähnt, boten hcher
Gelegenheit genug zu gegenleitigen Mittheilungen. So darf man Sandrart über
feines Freundes Jugenderlebniffe wohl beffer unterrichtet halten als die Söhne
feiner Brüder, die, in weiter Ferne lebend, wohl wenig Verkehr mit dem als grolser
Herr lebenden Oheim hatten, bis einer von ihnen zu leinem HaushofmeiAer be-
Aellt ward und nach Gelee's Ableben ein zweiter nach Rom ging, um hch mit
dielem in die Erblchaft zu thcilen.
Hatte Gelee, wie Baldinucci des KünAlers Neffen nacherzählt, wirklich bereits
bei leinem Bruder zu Freiburg im Breisgau hch im Zeichnen von Ornamenten
(rubeschi e fogliami) geübt, io muls es in hohem Grade auAallen, dals Sandrart
erzählt, Gelee habe, nachdem er hch in der Perlpective informirt, hch aufs Zeich-
nen verlegt Wo ihm aber gar nicht anAändig war, dann er keine einige Manier
noch Zierlichkeit annehmen konnte.« Im Malen war Gelee, wenn wir Sandrart
recht verAehen, lein eigener Lehrer. Nur io erklärt es hch nämlich, dals er gar
keine Ahnung davon hatte, dals man unmittelbar nach der Natur malen könne,
bis er eines Tages Sandrart bei dem Waflerfall in Tivoli Studien nach der Natur
machen Iah. Bis dahin war er viele Jahre ^täglich in das Feld hinaus und den
weiten Weg wieder heim gelaufen,« um die draulsen geiehenen Farben auf das Werk,
welches ihn belchäftigte, anzuwenden. Er hatte freilich in eines Malers Haus ge-
lebt, aber nur Farben gerieben, Palette und Pinlel geputzt und die Küche beAellt.
Als die NeAen Gelee's durch feinen Nachlafs zu reichen Leuten geworden,
mag es ihnen vielleicht, wie manchem anderen Emporkömmling auch, angemeffen
erlchienen lein, dem Italiener, der he über ihres verAorbenen Oheims Jugendzeit
ausfragte, eine Gefchichte zu erzählen, die der vieler anderer KünAler ähnlich