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ANT01NK WATTEAU.
Im Princip Aehnliches hatte fchon das Mittelalter in feinen Liebeshöfen an-
gebahnt, bei dem ungleich geringeren intellectuellen Gehchtskreis der damaligen
Welt aber blieb man naturgemäfs einfeitig in der Galanterie und Liebeständelei
flecken.
Während nun die frifche Lebensluft am Hofe des alternden Ludwigs XIV.
mehr und mehr in der Zwangsjacke eines fpanifchen Etiquettewefens, verbunden
mit einer auf jefuitifchen Einhüffen aufgebauten Erömmelei, erftickt wurde, machte
sich die den Franzofen eigene Leichtlebigkeit in den gefellfchaftlichen BeEre-
bungen um fo mehr Luft. Der italienifche Schäferroman, welcher feinerfeits nur die
Auffrifchung einer antiken Dichtungsart iE, hatte auch in Frankreich Eingang
gefunden; und es war bald ein beliebtes Modevergnügen geworden, die Ideen-
welt, in der hch jener bewegte, im Spiele wenigEens zu kurzer Wirklichkeit zu
machen. In jüngeren Jahren hatte felbE Ludwig nicht ungern an derartigen
^galanten Festen« Antheilgenommcn. Der fpäter vomHofe ausgehendeZwang,
den alle Welt läEig empfand, trug wohl ein gut Theil dazu bei, diefe BeluEi-
gungen gerade wegen ihrer Verbannung vom Hofe nicht aufser Mode kommen
zu laEen: Denn gerade der Gegenfatz zu dem dortigen Treiben liefs Verhält-
niffe, welche ohne alle Vorausfctzung allein auf der Grundlage aufgebaut fchie-
nen, die der gute Gefchmack von damals bedingte, um fo reizvoller erfchei-
neti. Oper und Hallet, die nachgerade zu den Bedtirfniffen der vornehmen
Welt gehörten, nahmen ihre Sujets mit Vorliebe aus dem gleichen StoEgebiet;
und die BühnengeEalten wieder wirkten zurück auf die Spiele der vornehmen
Welt. —
Diefer kurze Hinweis mufs vorausgefchickt werden, wenn man von Antoine
Watteau und feiner KunB reden will. Er war es, der zuerE und in, bis auf den
heutigen Tag unübertroßener, künElerifcher Durchbildung das damals moderne
gefellfchaftliche Treiben Frankreichs, die Metes galantes« in die Malerei ein führte.
Denn hinter feinen meiE der Bühne entlehnten Gehalten, wie hinter feinen Hirten
und Schäferinnen Eeckt das elegante Frankreich. Das fühlten die Zeitgenoffen
fofort heraus, und darauf mit baute hch fein aufserordentlicher Ruf auf; deshalb
war er von fo zündendem EinEufs auf feine ganze Zeit. Im Gegenfatz zu den
damals beliebten Verzückungen in der rcligiöfen Malerei und der Erhebung des
Individuums auf den Kothurn im Porträtfache, giebt er eine Apotheofe der
fchönen Sinnlichkeit. Der Genufs des Erdendafeins war auch ein beliebtes
Thema der Venezianifchen Maler gewefen, man denke nur an Tizian's ruhende
FrauengeEalten; aliein he fchildern das behagliche Glück eines ruhig genoffenen
ExiEenzgefühles ohne fonderliche Lebensäufserungen, Watteau dagegen führt
uns das Leben in den Wechfelbeziehungen beider Gefchlechter vor. Er fchildert
in Farben, was die Schäferromane erdichteten, und fprach damit im Bilde aus,
was man in Wirklichkeit fo gern befeffen hätte: ein Dafein deEen einziger Zweck
die Liebe, oder vielleicht beffer gefagt, ein idealifirter Verkehr zwifchen Mann
und Weib iE; denn die Höhe des Lebens war jenem Zeitalter erE in der Gemein-
fchaft beider einander ergänzender Gefchlechter erreicht. Roh und gemein ver-
körpert hch diefe Sinnesweife in dem Gebahren des Regenten und feiner Clique;
von feiner fchönhen Seite und über das grob hnnliche Getriebe zur Idealität
ANT01NK WATTEAU.
Im Princip Aehnliches hatte fchon das Mittelalter in feinen Liebeshöfen an-
gebahnt, bei dem ungleich geringeren intellectuellen Gehchtskreis der damaligen
Welt aber blieb man naturgemäfs einfeitig in der Galanterie und Liebeständelei
flecken.
Während nun die frifche Lebensluft am Hofe des alternden Ludwigs XIV.
mehr und mehr in der Zwangsjacke eines fpanifchen Etiquettewefens, verbunden
mit einer auf jefuitifchen Einhüffen aufgebauten Erömmelei, erftickt wurde, machte
sich die den Franzofen eigene Leichtlebigkeit in den gefellfchaftlichen BeEre-
bungen um fo mehr Luft. Der italienifche Schäferroman, welcher feinerfeits nur die
Auffrifchung einer antiken Dichtungsart iE, hatte auch in Frankreich Eingang
gefunden; und es war bald ein beliebtes Modevergnügen geworden, die Ideen-
welt, in der hch jener bewegte, im Spiele wenigEens zu kurzer Wirklichkeit zu
machen. In jüngeren Jahren hatte felbE Ludwig nicht ungern an derartigen
^galanten Festen« Antheilgenommcn. Der fpäter vomHofe ausgehendeZwang,
den alle Welt läEig empfand, trug wohl ein gut Theil dazu bei, diefe BeluEi-
gungen gerade wegen ihrer Verbannung vom Hofe nicht aufser Mode kommen
zu laEen: Denn gerade der Gegenfatz zu dem dortigen Treiben liefs Verhält-
niffe, welche ohne alle Vorausfctzung allein auf der Grundlage aufgebaut fchie-
nen, die der gute Gefchmack von damals bedingte, um fo reizvoller erfchei-
neti. Oper und Hallet, die nachgerade zu den Bedtirfniffen der vornehmen
Welt gehörten, nahmen ihre Sujets mit Vorliebe aus dem gleichen StoEgebiet;
und die BühnengeEalten wieder wirkten zurück auf die Spiele der vornehmen
Welt. —
Diefer kurze Hinweis mufs vorausgefchickt werden, wenn man von Antoine
Watteau und feiner KunB reden will. Er war es, der zuerE und in, bis auf den
heutigen Tag unübertroßener, künElerifcher Durchbildung das damals moderne
gefellfchaftliche Treiben Frankreichs, die Metes galantes« in die Malerei ein führte.
Denn hinter feinen meiE der Bühne entlehnten Gehalten, wie hinter feinen Hirten
und Schäferinnen Eeckt das elegante Frankreich. Das fühlten die Zeitgenoffen
fofort heraus, und darauf mit baute hch fein aufserordentlicher Ruf auf; deshalb
war er von fo zündendem EinEufs auf feine ganze Zeit. Im Gegenfatz zu den
damals beliebten Verzückungen in der rcligiöfen Malerei und der Erhebung des
Individuums auf den Kothurn im Porträtfache, giebt er eine Apotheofe der
fchönen Sinnlichkeit. Der Genufs des Erdendafeins war auch ein beliebtes
Thema der Venezianifchen Maler gewefen, man denke nur an Tizian's ruhende
FrauengeEalten; aliein he fchildern das behagliche Glück eines ruhig genoffenen
ExiEenzgefühles ohne fonderliche Lebensäufserungen, Watteau dagegen führt
uns das Leben in den Wechfelbeziehungen beider Gefchlechter vor. Er fchildert
in Farben, was die Schäferromane erdichteten, und fprach damit im Bilde aus,
was man in Wirklichkeit fo gern befeffen hätte: ein Dafein deEen einziger Zweck
die Liebe, oder vielleicht beffer gefagt, ein idealifirter Verkehr zwifchen Mann
und Weib iE; denn die Höhe des Lebens war jenem Zeitalter erE in der Gemein-
fchaft beider einander ergänzender Gefchlechter erreicht. Roh und gemein ver-
körpert hch diefe Sinnesweife in dem Gebahren des Regenten und feiner Clique;
von feiner fchönhen Seite und über das grob hnnliche Getriebe zur Idealität