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1. Renaissance in Schweden
hunderts als Glied in den dänischen Reichsverband einfügen lassen
mußte. Das geistige und kulturelle Leben, das in der Sverrezeit
in hoher Blüte gestanden hatte, hatte an dem Niedergange teil-
genommen; Norwegen lag nach dem Worte eines Zeitgenossen
„versteinert zwischen seinen Klippen“, und wie es politisch dänische
Provinz wurde, so ist es auch als Kultur- und Kunstland an die vier
Jahrhunderte europäische Provinz geblieben. Das Leben der Nation
bewegte sich politisch, wirtschaftlich und kulturell in engen Maß-
stäben; es mangelte an Erlebnissen, die nach künstlerischem Aus-
druck verlangt und die Lust daran angeregt hätten, und an keiner
Stelle vermochten Kunstbedürfnis und Kunstinteresse sich zu sam-
meln und zu organisieren. Es gab keinen Hof, keine Residenz,
keinen repräsentationsfrohen Adel; Städtewesen und Bürgertum
waren schwach entwickelt, und nur hier und da übte etwa einmal
ein Lehnsherr, ein Geistlicher, ein Gelehrter ein bescheidenes ört-
liches Mäzenat. Wohl besaß das Land in seinem freien Bauern-
stände ein reiches Kraftreservoir, aber abgeschlossen, kulturfern
und zähe beharrend entstieg das Bauerntum nur langsam einem
„vorgeschichtlichen“ Zustande.
Aber in Schweden hatte Margaretens Unionspolitik einen natio-
nalen Widerstand erweckt, der in jahrhundertlangem Kampfe gegen
die Fremdherrschaft erstarkte und schließlich zur Befreiung des
Landes führte. Das Königtum Gustav Wasas, durch das mächtig
erhöhte Selbstgefühl der Nation getragen und durch die Einziehung
des Kirchenguts wirtschaftlich gestützt, sicherte die politische
Selbständigkeit Schwedens und faßte alle Volksteile in einem ge-
diegenen Staatsorganismus zusammen. Der Großadel, der während
des Jahrhunderts des Befreiungskampfes zeitweise die wirkliche
Herrschaft im Lande innegehabt hatte, mußte sich der neuen Ord-
nung fügen, in der er sich jedoch als ein kraftvolles soziales und
politisches Element zu behaupten wußte. Die reicheren Impulse
eines politisch geeinten und organisierten Volkstums, der weitere
Horizont, die mannigfaltigere Abstufung der sozialen Gliederung:
all das bot der Kunst in Schweden weitaus günstigere Bedingungen
als in Norwegen. Freilich war und blieb der Kunstboden auch hier
noch auf Jahrhunderte hinaus karg, weil im Lande keine breite und
1. Renaissance in Schweden
hunderts als Glied in den dänischen Reichsverband einfügen lassen
mußte. Das geistige und kulturelle Leben, das in der Sverrezeit
in hoher Blüte gestanden hatte, hatte an dem Niedergange teil-
genommen; Norwegen lag nach dem Worte eines Zeitgenossen
„versteinert zwischen seinen Klippen“, und wie es politisch dänische
Provinz wurde, so ist es auch als Kultur- und Kunstland an die vier
Jahrhunderte europäische Provinz geblieben. Das Leben der Nation
bewegte sich politisch, wirtschaftlich und kulturell in engen Maß-
stäben; es mangelte an Erlebnissen, die nach künstlerischem Aus-
druck verlangt und die Lust daran angeregt hätten, und an keiner
Stelle vermochten Kunstbedürfnis und Kunstinteresse sich zu sam-
meln und zu organisieren. Es gab keinen Hof, keine Residenz,
keinen repräsentationsfrohen Adel; Städtewesen und Bürgertum
waren schwach entwickelt, und nur hier und da übte etwa einmal
ein Lehnsherr, ein Geistlicher, ein Gelehrter ein bescheidenes ört-
liches Mäzenat. Wohl besaß das Land in seinem freien Bauern-
stände ein reiches Kraftreservoir, aber abgeschlossen, kulturfern
und zähe beharrend entstieg das Bauerntum nur langsam einem
„vorgeschichtlichen“ Zustande.
Aber in Schweden hatte Margaretens Unionspolitik einen natio-
nalen Widerstand erweckt, der in jahrhundertlangem Kampfe gegen
die Fremdherrschaft erstarkte und schließlich zur Befreiung des
Landes führte. Das Königtum Gustav Wasas, durch das mächtig
erhöhte Selbstgefühl der Nation getragen und durch die Einziehung
des Kirchenguts wirtschaftlich gestützt, sicherte die politische
Selbständigkeit Schwedens und faßte alle Volksteile in einem ge-
diegenen Staatsorganismus zusammen. Der Großadel, der während
des Jahrhunderts des Befreiungskampfes zeitweise die wirkliche
Herrschaft im Lande innegehabt hatte, mußte sich der neuen Ord-
nung fügen, in der er sich jedoch als ein kraftvolles soziales und
politisches Element zu behaupten wußte. Die reicheren Impulse
eines politisch geeinten und organisierten Volkstums, der weitere
Horizont, die mannigfaltigere Abstufung der sozialen Gliederung:
all das bot der Kunst in Schweden weitaus günstigere Bedingungen
als in Norwegen. Freilich war und blieb der Kunstboden auch hier
noch auf Jahrhunderte hinaus karg, weil im Lande keine breite und