4. Schwedische Malerei des 18. Jahrhunderts
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Eine eigene Stellung unter den Malern dieser Periode nimmt Carl
Gustav Pilo (1711—93) insofern ein, als er nicht in Paris studiert,
sondern den französischen Einfluß nur mittelbar empfangen hat.
Ihn haben seine Lehrjahre nach Deutschland geführt, vorzüglich
hat er sich anscheinend an der Malerei des Wiener Spätbarocks
geschult, und so bleibt ein Einschlag älteren Stilgefühls in seiner
Malerei zurück. Aber dieser Zwischenstellung verdankt er vielleicht
auch jenes über die Rokokoform hinausreichende feinere Gefühl
für das seelisch Lebendige, das besonders einige seiner Bildnisse
von Schauspielern und Kindern bekunden. Nachdem Pilo seit 1741
in hohem Ansehen, zuletzt als Akademiedirektor, in Kopenhagen
gewirkt hatte, wurde er nach Struensees Tode 1772 von der däni-
schen Regierung brüsk seines Postens enthoben und des Landes
verwiesen. Der über diesen Gewaltstreich sehr empörte Gustav III.
entschädigte ihn, indem er ihn zum Direktor der Stockholmer
Akademie bestellte und ihm überdies den ehrenvollen Auftrag an-
vertraute seine Krönung zu malen. Pilo hat dies Werk nicht ganz
vollenden können, aber auch so besteht es noch als das imposanteste
und originellste Stück Malerei, das im 18. Jahrhundert auf schwe-
dischem Boden entstanden ist. Die Staatszeremonie hat Pilo in
die Stimmung eines patriarchalisch-heiteren Festaktes übertragen,
und seinen Mittelpunkt bildet der Sohn Luise Ulrikens, der, von
Sonnenglanz umwoben, von tiefen roten und goldenen Tönen ge-
rahmt, wie ein beglücktes und verhätscheltes Geburtstagskind seinen
Königstag antritt.
Neben der Linie nach Frankreich führte jedoch eine zweite nach
England. In London, wo bereits seit dem Anfänge des Jahrhunderts
mehrere ausgewanderte schwedische Maler sich niedergelassen
hatten, studierte Elias Martin (1739—1818), der Begründer der
schwedischen Landschaftsmalerei. Er schulte sich dort wohl vor-
nehmlich an Wilson, dahinter aber stand das unerschütterlich klas-
sische Vorbild Claude Lorrains, und in den mit Häfen, Wasserfällen,
Bergen, Menschen und Tieren reich ausgestatteten Landschaften
Martins ist die Natur durch Claudes Form gesehen. Am selbstän-
digsten steht er ihr in einer topographisch fest definierten Aufgabe,
wie der Stadtansicht Stockholms von Süden, gegenüber. Späterhin
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Eine eigene Stellung unter den Malern dieser Periode nimmt Carl
Gustav Pilo (1711—93) insofern ein, als er nicht in Paris studiert,
sondern den französischen Einfluß nur mittelbar empfangen hat.
Ihn haben seine Lehrjahre nach Deutschland geführt, vorzüglich
hat er sich anscheinend an der Malerei des Wiener Spätbarocks
geschult, und so bleibt ein Einschlag älteren Stilgefühls in seiner
Malerei zurück. Aber dieser Zwischenstellung verdankt er vielleicht
auch jenes über die Rokokoform hinausreichende feinere Gefühl
für das seelisch Lebendige, das besonders einige seiner Bildnisse
von Schauspielern und Kindern bekunden. Nachdem Pilo seit 1741
in hohem Ansehen, zuletzt als Akademiedirektor, in Kopenhagen
gewirkt hatte, wurde er nach Struensees Tode 1772 von der däni-
schen Regierung brüsk seines Postens enthoben und des Landes
verwiesen. Der über diesen Gewaltstreich sehr empörte Gustav III.
entschädigte ihn, indem er ihn zum Direktor der Stockholmer
Akademie bestellte und ihm überdies den ehrenvollen Auftrag an-
vertraute seine Krönung zu malen. Pilo hat dies Werk nicht ganz
vollenden können, aber auch so besteht es noch als das imposanteste
und originellste Stück Malerei, das im 18. Jahrhundert auf schwe-
dischem Boden entstanden ist. Die Staatszeremonie hat Pilo in
die Stimmung eines patriarchalisch-heiteren Festaktes übertragen,
und seinen Mittelpunkt bildet der Sohn Luise Ulrikens, der, von
Sonnenglanz umwoben, von tiefen roten und goldenen Tönen ge-
rahmt, wie ein beglücktes und verhätscheltes Geburtstagskind seinen
Königstag antritt.
Neben der Linie nach Frankreich führte jedoch eine zweite nach
England. In London, wo bereits seit dem Anfänge des Jahrhunderts
mehrere ausgewanderte schwedische Maler sich niedergelassen
hatten, studierte Elias Martin (1739—1818), der Begründer der
schwedischen Landschaftsmalerei. Er schulte sich dort wohl vor-
nehmlich an Wilson, dahinter aber stand das unerschütterlich klas-
sische Vorbild Claude Lorrains, und in den mit Häfen, Wasserfällen,
Bergen, Menschen und Tieren reich ausgestatteten Landschaften
Martins ist die Natur durch Claudes Form gesehen. Am selbstän-
digsten steht er ihr in einer topographisch fest definierten Aufgabe,
wie der Stadtansicht Stockholms von Süden, gegenüber. Späterhin