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6. Norwegische Kunst vom 16. bis zum 18. Jahrhundert 35

und geschwärzten Baugerüstes eine hohe malerische Wirkung aus;
der Raum wächst unter der in allen Teilen ihn durchströmenden
vielgestaltigen Fülle der Erscheinungen; barocke Kunstmittel sind
mit instinktiver Sicherheit in den Dienst einer echt bäuerlichen Ge-
sinnung genommen, die, aller Mystik fremd, unbedenklich ihr saf-
tiges Lebensbehagen, ihre Freude an buntem Fest und Spiel in die
Kirche verpflanzt. Bäuerliche Meister, die sich etwa in der Stadt-
lehre geschult oder aus Vorlagen und Vorbildern ihre Anregung
geschöpft haben mögen, sind es sicherlich in der Mehrzahl der Fälle
gewesen, die die Ausstattung der Kirchen ausgeführt haben. Wohl
in jedem Tale fanden sich hervorragend begabte Schnitzer und
Maler, in deren Familien sich die Kunst zu vererben pflegte; sie
wurden durch ihre Aufträge oft weit herumgeführt und säten so
neue Formen und neuen Geschmack aus. Überhaupt aber war der
norwegische Bauer „in Künsten und Handwerken sonderlich ge-
schickt“; das ist bereits Holberg aufgefallen, und er fügt hinzu:
„Es gibt kaum einen Bauern in Norwegen, der nicht außer seiner
notwendigen Arbeit noch etwas Zierrat anfertigte.“ Was er jetzt
in seiner Kirche an neuen Schmuckmöglichkeiten, an neuen Formen
und Techniken beobachtete, das trug er, an Auge und Hand ge-
lehrig, mit heim, um es im eigenen Hause zu nutzen.
Die älteste Form des nordischen Bauernhauses wird nicht als
Haus, sondern als Stube bezeichnet. Es war ein rechteckiges
Blockhaus, das nur einen Raum, eben die „Stube“, und daneben
etwa noch eine kleine Kammer (Klev) umfaßte. In der Mitte des
festgestampften Bodens befand sich die offene, von Steinen um-
baute Feuerstelle, darüber im Dache das Rauchabzugsloch, das
zugleich die einzige Beleuchtungsquelle des Raumes bildete. Rings
an den Wänden feste Bänke, die lange die einzigen Schlafstätten
im Hause boten; dem Eingänge gegenüber, hinter dem mäch-
tigen Tische, der „Hochsitz“ des Bauern — alles in derben,
massigen, doch nicht immer schmucklosen Formen. Der in der
Regel der Langseite des Hauses vorgelagerte gedeckte, aber nach
außen sich meist öffnende „Svalegang“ diente zur Erweiterung der
beschränkten Räumlichkeit. Das war die Herd- oder Rauchstube,
die viele Jahrhunderte lang den Typus des nordischen Bauern-
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