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Krumm, Carolin [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 13,2): Region Hannover: nördlicher und östlicher Teil; mit den Städten Burgdorf, Garbsen, Langenhagen, Lehrte, Neustadt a. Rbge., Sehnde, Wunstorf und den Gemeinden Burgwedel, Isernhagen, Uetze und Wedemark — Hameln, 2005

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44258#0243
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cherweise wird das Hallenhaus um 1770 er-
neuert worden sein. Damals entstanden wohl
auch die vorgelagerte Scheune im Unterrähm-
gefüge und das parallele, späterhin massiv
verlängerte Backhaus in Ankerbalkenkonstruk-
tion.
Im 18.Jh. nimmt die Scheingeschosszone an
Höhe deutlich zu; der Wohnteil zeigt sich zwei-
geschossig ohne die altertümliche Form der
eingeschobenen Balkenlage (Nr. 89: um 1730),
die seit den frühesten Belegen im 16.Jh. bis um
1700 die gängige Geschosskonstruktion bleibt
(z.B. Nr. 1: „1702”). Diesen jüngeren Zeithori-
zont dokumentieren für die Kircher Bauer-
schaft darüber hinaus die Hallenhäuser Nr. 3
(„1695”) und Nr. 68 („1700”) sowie das von
einem Speicher in Ankerbalkenkonstruktion (um
1780) begleitete Haupthaus Nr. 66 („1721”;
Scheunenanbau von „1739”), dessen Wirt-
schaftsgiebel nach historischen Fotografien
zwischenzeitlich um zwei Scheingeschoss-
zonen erhöht worden ist.

Kircher Bauerschaft, Dorfstraße 66, Haupthaus von „1721" mit Scheunenanbau von „1739"


Kircher Bauerschaft, Dorfstraße 68, Wohnwirtschaftsgebäude von „1700"


Um 1770/80 entstanden schließlich die
Haupthäuser der Hofstellen Nr. 38 und Nr. 77,
zwei Bauten unterschiedlicher Bausprache.
Zeigt Nr. 38 die flache, unausgefachte Zone
unter dem vorspringenden Giebelfeld und eine
gleichmäßige Rasterung im Steilgiebel, so prä-
sentiert sich das Zweiständerhallenhaus Nr. 77
in der zweiten regionaltypischen Variante mit
Kopfwinkelhölzern und Scheingeschossgiebel
(Bauinschrift „1770” neu bzw. erneuert; um
1930 wohl im Stil der Zeit bemalt). Hinter die-
sem verbirgt sich im Bereich des Wohnteiles
eine um 1930 rustikal ausgebaute Wohnstube,
deren Wände und Decken schwere Balken,
hölzerne Vertäfelungen und Sinnsprüche zieren.
Hauptaugenmerk verdient jedoch eine mit zwei
gegenüberstehenden Bänken ausgestattete
Sitznische, von der man den wohl um die glei-
che Zeit gestalteten Garten übersah. Auch
wenn eine gärtnerische Gestaltung nach dem
Wildwuchs der Wiesengräser heute kaum mehr
abzulesen ist, vermitteln das mit großflächigen
Fenstern versehene hölzerne Gartenhaus und
das sich gegenüber erhebende, um eine Eiche
u-förmig errichtete Werkzeughaus einiges vom
einstigen Charakter des ländlich-idyllischen
Bauerngartens der Zeit um 1930. Zur Hofstelle
gehört überdies ein aus Sandsteinsegmenten
gefügter Brunnen „1695”.
Eine architektonische Besonderheit unter den
Wohnwirtschaftsgebäuden repräsentiert schließ-
lich das Vierständerhallenhaus Nr. 28, vermut-
lich einer der ältesten Belege dieser Bauweise
im Landkreis (um/nach 1700). Altertümlich und
zugleich ortsfremd zeigt sich der durch
Fußwinkelhölzer in Reihung betonte Wirt-
schaftsgiebel, ein Dekor, das sich am zweige-
schossigen Wohnteil wiederholt. Anders als all-
gemein im Isernhagener Raum üblich, wurde er
quer zur Firstlinie des Dielentraktes gesetzt und
als Stockwerksbau zweigeschossig ausgeführt.
Das so repräsentativ gestaltete Hallenhaus
diente als Wohnsitz Friedrich von Hattorfs (gest.
1789), der als Königlich-Kurfürstlicher Oberst
dem 9. Dragonerregiment „Königin” vorstand
und ein Jahr zuvor die Familiengruft auf dem
Kirchhof errichten ließ.

Kircher Bauerschaft, Dorfstraße 28, Wohnwirtschaftsgebäude, um/nach 1700

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