Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lufen, Peter Ferdinand [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0021
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
und Westen über das Einzugsgebiet der Leine hinaus. Zwei Untergaue, der Moringagau
um Moringen und der Rittegau um Northeim, trennten den Leinegau im Norden von
dem Sülberggau (etwa Kreis Einbeck). Bis über die Karolingerzeit haben sich die sächsi-
schen Gaubezeichnungen gehalten.
Aufschluß über die Entwicklung der spätmittelalterlichen Siedlungslandschaft liefern
auch die Ergebnisse der Wüstungs- und Wegeforschung sowie die an den bedeuten-
den Fernverkehrswegen angelegten Urkirchen, deren Martini-Patrozinium eindeutig auf
Mainzer Einfluß hinweist. Der südniedersächsische Raum gehörte im wesentlichen zur
Diözese des Erzbischofs von Mainz. So ordnete das Erzbistum Mainz zur Sicherung sei-
ner Stellung sich im 11.Jh. die Hauptkirchen unter. Zwölf mit besonderen Privilegien
ausgestattete Tauf- oder Mutterkirchen (sedes, ecclesiae archipresbyteriales), die alle
das Martini-Patrozinium aufweisen, wurden Sitze von Archipresbytern, die Nörten als Ar-
chidiakonat und somit Mainz unterstellt waren: Nörten, Berka, Geismar, Sieboldshau-
sen, Dransfeld, Seeburg, Oedeisheim, Moringen, Markoldendorf, Hohnstedt und Stock-
heim. An Nörten grenzt u.a. das Archidiakonat Heiligenstadt, zu dem der Erzpriestersitz
Duderstadt und die Urpfarrei Teistungenburg gehören.
Unter den sächsischen Adelsgeschlechtern stiegen vor allem die Liudolfinger auf, die
besonders im Harzgebiet reich begütert waren. Sie besaßen u.a. die 915 urkundlich er-
wähnte „urbs quae dicitur Grona“ auf dem Hagenberg am heutigen Nordwestrand der
Stadt Göttingen, die Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde zusammen mit den Eigengü-
tern in Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen und Duderstadt zur späteren Witwenversor-
gung zuwies. Im Jahre 929 wurde diese nur kopial erhaltene Urkunde noch einmal be-
stätigt. In dieser Urkunde tritt Duderstadt („tutersteti“) erstmals ins Licht der Geschichte
und wird als „curtis“ bezeichnet.
Zu den großen einflußreichen Adelsgeschlechtern gehörten in der Folgezeit auch die
Grafen von Reinhausen. Sie verfügten über umfangreichen Eigenbesitz, zu dem auch
die beiden Gleichenburgen (Alten- und Neuengleichen) südwestlich von Gelliehausen
gehörten. Ihr befestigter Stammsitz lag auf einem steil abfallenden Bergsporn des Kirch-
berges in Reinhausen. Die Anlage repräsentiert den für den sächsischen Raum seltenen
Typus einer bereits im 10.Jh. bewohnten Adelsburg. Um 1080/85 wandelten die Grafen
von Reinhausen ihren Herrensitz in ein Chorherrenstift, wenig später in eine Benedikti-
nerabtei um.
Auch die Grafen von Northeim waren im „Leinegau“ begütert. Von ihrem verkehrsgünsti-
gen Machtzentrum Northeim aus drangen sie durch Erwerbungen von Eigenbesitz und
Hoheitsrechten nach Westen vor. Mit Otto von Northeim ist zugleich der bedeutendste
Vertreter dieses Geschlechts genannt, dessen Sohn Heinrich der Fette 1093 das Bene-
diktinerkloster Bursfelde an der Oberweser stiftete. Zunächst mit Mönchen der Abtei
Corvey besetzt, ging im frühen 15.Jh. von Bursfelde eine große benediktinische Reform-
bewegung aus, die „Bursfelder Kongregation“, der sich weit über hundert Klöster an-
schlossen.
Mit Ottos Enkel Siegfried starben die Northeimer 1144 aus. Das reiche winzenburgische
und northeimische Erbe trat Heinrich der Löwe an, dessen Machtstellung im wesentli-
chen auf dem Doppelherzogtum in Sachsen und Baiern beruhte. Sein gutes Einverneh-
men mit Friedrich I. spiegelt sich auch in dem Tauschgeschäft, durch das der Welfe die
Reichsburgen Herzberg, Scharzfeld, den Hof Pöhlde, Forstrechte im Harz und das Ko-
mitat im Liesgau (Umkreis von Duderstadt/Osterode) erhielt. Bei der Verwaltung seiner
Gebiete bediente sich Heinrich der Löwe der schon unter seinen Vorgängern üblichen
Methoden, indem er Angehörige edelfreier Geschlechter als seine Vizegrafen und Vize-
vögte einsetzte oder in diesen Funktionen bestätigte. Gleichwohl hat er stärker als seine
Vorfahren seine Ministerialen zur Wahrnehmung seiner Rechte herangezogen. Wichtige
Privilegien erhielten die Klöster Bursfelde, Northeim und Reinhausen. Dadurch wollte
Heinrich der Löwe, dessen Name auch mit einer aktiven Städtepolitik in Sachsen ver-
bunden ist, alle Ansprüche abwehren, die die Mainzer Erzbischöfe in Northeim und
Reinhausen geltend machen konnten. Sein Sturz im Jahre 1180 bedeutete das Ende
des sächsischen Stammesherzogtums und leitete die territoriale Zersplitterung des Lan-
des ein. Erst sein Enkel, Otto das Kind, erhielt auf dem Reichstag zu Mainz 1235 die
welfischen Eigengüter als Reichslehen Braunschweig-Lüneburg zurück.
Wie die Klöster, die durch Schenkungen und Kauf reichen Besitz erwarben, trugen auch
die zur Sicherung des Territoriums entstandenen Burganlagen zur Differenzierung des
Siedlungswesens bei. Zu Stützpunkten der Verwaltung und Gerichtsbarkeit wurden die
Burgen ausgebaut, um die sich die Ämter gruppierten, die in ihrer Größe und Bedeu-

19
 
Annotationen