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der Freiknecht" geben. Birch-Pfeiffer muß es sein!
Bor Wehmuth muß das Publikum heulen, daß die Thräncn
bis in die Parterrelogen hineinflicßcn.

Ho! Jetzt wird zur Kirche geläutet! Ja wenn ich wüßte,
daß ich mir ein Donnerwetter herabflehcu könnte, dann ging
ich auch hinein.— Schneppe! Schneppe! Wo steckt denn dieser
infame Kerl von einem Theaterdiener? Schneppe! Ah, da kommt
er. Wo ist Er gewesen? Wie? Er hat den herrlichen Morgen
zum Spazierengehen benützt? Kerl, sprcch' Er mir nicht von
einem herrlichen Morgen, vom blauen Himmel, oder ich jage
Ihn auf der Stelle zum Henker!

Lauf Er gleich zum Regisseur und zum Requisiteur und
zum Musikdirektor. Der Regisseur soll so viel als möglich
heute Abend in den Rollen streichen» damit die Borstelluug
! nicht so lange dauert. Der Requisiteur soll der ersten Lieb-
haberin heute keine neuen Schuhe und Handschuhe geben; für
die lumpigen 20 Personen, die heute in das Theater gehen,
sind die alte» noch rein genug. Und der Musikdirektor soll
heute Abend bloß mit zwei Mann die Zwischenaktsmusik be-
setzen.

Und jetzt fahr zur Hölle, queckvcrsilbertcs Lügenglas.
Hinab mit teuflischem Gelächter zur Wolfsschlucht! Ha, ha, ha,
ha, ha!

(Er wirft das Wetterglas auf die Straße hinaus.)

(Mittags 12 Uhr. Bewölkter Himmel.)

Sch' ich recht? Einige Wölkchen am Himmel! Aber das
ist noch nicht genug; das Wetter bleibt schön. Ein einziger
Windstoß vertreibt Alles, was mich jetzt hoffen läßt.

(Nachmittags 2 Uhr. Einzelne Regentropfen.)

War das keine Täuschung? Entfielen jener himmlischen
Wolke nicht einige Tröpslcin? Schneppe, laufe Er 'mal zum
Musikdirektor und bestelle Er noch zwei Mann, die große Trom-
mel und die Posaune. Neue Handsckzuhc soll Fräulein Dreißiger
auch bekommen, man darf nicht so hart sein; die Schuhe aber
müßten noch gehen. Tann treibe er auch einige zwanzig bis
dreißig Kerle zusammen, die sich vor Eröffnung des Theaters
vor die Thüre stellen, als ob sie begierig warteten.

(Abends 6 Uhr. Allgemeiner Landregen.

Gott sei gelobt! Das ist ein herrlicher Guß! Ha, wie das
strömt! Kein Mensch kann sich in diesem Hunde — ich wollte
sagen, in diesem Himmelswettcrchen hinaus vor das Thr wagen.
Ah! da kommen schon die Menschen herangczogen. Der Haufen
an der Thür wird immer zahlreicher. So viel ich oberflächlich
berechnen kann, stehen da draußen jetzt schon für sechzig bis
achtzig Thaler Entrcebillcts. Schneppe! laufe Er und bestelle
beim Musikdirektor das volle Orchester, alle sechszehn Mann!
Der Andrang wird immer ärger! Jetzt muß man schon zurück-
weisen ! Meine Herren, ich bedauere unendlich, es ist nicht ein
Platz mehr da. Doch halt! Wir räumen das Orchester ! Sind
Sie damit einverstanden? Bravo!

Himmlischer Schneppe! jetzt bestelle er das ganze Musikchor
ab. Wir spielen heute ohne Musik.—Welcher Thor aber war
ick>, das treue Wetterglas zu zertrümmern! O Königin, der
Regen ist doch schön!

Die Lenore.

(Schluß.)

Vielen Kummer machte cs ihm, daß er Bürger'n nicht schon
vor meiner Geburt zu Händen bekommen hatte, denn in diesem
Fall wäre ich unfehlbar „Wilhelm" getauft worden, während
ich nun den unpoctischen Namen Jakob führe. Lange hoffte
er auf eine Tochter, natürlich eine Lenore, aber umsonst. Eini-
gen Trost gewährte es ihm, daß wenigstens sein Name, Gott-
lob, nicht vergeffen war, was ihm Gelcgenhct gab, etliche-
mal des Tages ein „Gottlob! rief Kind und Gattin laut"
anzubringen.

Als eines Tages Papa in's Korn gefahren war, ward
dem lieben Bürger ein schmähliches Schicksal zu Theil; denn
er wanderte von dem Ehrenplatz neben dem Predigtbuch in
meiner Mutter Hand, von da auf die Ofeugabel und von der
Ofcngabel in den Ofen. Aber was war damit gewonnen?
Ich und Papa kannten die Lenore bereits auswendig, und als
Letzterer einige Wochen später einmal vom Fruchtmarkt in
Stuttgart nach Hause kam, zog er einen schönen Band mit
Goldschnitt aus der Tasche und hielt ihn der Mutter triumphirend
vor: „Ach, laß sie ruhn, die Tobten!" Unangefochten prangte
von da an Bürger in verschönerter Gestalt wieder auf dem
Ehrenplätze und Mama hatte endlich mit stummer Resignation
sich in das Schicksal ergeben, zeitlebens ihres Ehegemahls Liebe
mit der Lenore theilen zu müssen.

V.

Aber das Unglück, das schon meinem Großvater die Dicht-
kunst entleibet hatte, brach auch über meinen Vater herein.
Mit seiner Lenore hatte er sich den und jenen zu Feinden
gemacht. Zuerst die zwei Schulmeister des Städtchens, sonst seine
Stammgäste. Nicht gar fein hatte er oft auf ihre Accidenzien
bei Leichen angespielt mit den Worten: „Der Tod, der Tod
ist mein Gewinn", und als einmal eine Leiche unter dem Ge-
sang der Schulmeister nebst Schuljugend vor unserm Hause
vorbeigctragen wurde, konnte er sich nicht enthalten. Jedermann
hörbar zum Fenster hinaus zu deklamiren:

„Das Lied war zu vergleichen,

Dem Unkenruf in Teichen."

Die Sänger kamen von da an nimmer in unser Haus,
und ermangelten nicht, meinen Vater als einen frivolen Spötter
zu verrufen. Noch mehr aber galt er als solcher, als er gar
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Lenore"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Abweichende Titelschreibweise: "Lenore" statt "Leonore"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Personifikation
Schweben <Motiv>
Karikatur
Tod <Motiv>
Gesang <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 21.1855, Nr. 486, S. 46

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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