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Pompesi in München.
mente, deren angeblich dortselbs! gemachte Entdeckung Herr Di'.
Grübeler in der letzten Nummer der „Fliegenden Blätter'")
zu publiciren für wichtig genug erachtet hat, — obgleich uns
dieser (abgesehen von einer — leider nur allzu oft erprimir-
ten gewissen frivolen Jmpietät gegen alles Bestehende) sonst
wackere, ernst fröhliche Waidmann auf vaterländischem Urgc-
j hege hier denn doch einmal wiederum auf falsche Fährte') ge-
rathcn zu sein scheint, — da gerade die von ihm angezogcnen
j mehr als fraglichen Bildwerke nach Styl und Schriftsatz höch-
stens bis an die zweite Hälfte des ersten Drittels des sechs-
zchntcn Jahrhunderts hinaufzuführcn sein dürften, trotz seines
(in seinem bekannten apodiktischen Wasserstiefel-Tone abgege-
benen) Protestes gegen die Zweifel einer „unwissenden Gcgen-
parthei" (?!!) — ist Schreiber dieses so glücklich, über einen
ebendortsclbst mit unglaublicher Mühe von ihm gemachten
hochwichtigen Fund, ein jene Dr. Grübeler'schcn Fiktionen'')
1 weit überragendes, unschätzbares Stück romano - germanischer
Culturgeschichtc umgehend berichten zu können. Es wird durch
denselben (dessen treueste rylo-photographischc Wiedergabe wir
j anbei folgen lassen) unsere moderne Anschauung der antiquir-.
; tcn Welt'!) pcnetrircnd reformirt und derselben ein bisher
nahezu ungeahnter wunderticfer Einblick in den häuslichen
Cultus des alten Roms in Germanien-') gegönnt, der die
| anziehendsten Reciprocitäts-Paralellcn") mit unserer jüngsten
: Gegenwart') und ihrem, jenem analogen, bürgerhäuslichen
j Cultus provocirt. Meine besagte Entdeckung ncmlich, eine
in überhöhter Quadratform aus Sandsteinschiefer^) gehauene,
mit Bildwerk und Inschrift versehene Tafel — dermaleinst
! offenbar im Atrium des Hauses (etwa über dem Waschbecken
! links9) ausgenagclt gewesen — empfiehlt in einem an die
zweite Stylcpoche des Tacitus merkwürdig anklingcnden, blüh-
! enden Latein'0) bcn Hausbewohnern sowohl, als auch (in
gastfreundlichster Großmuth) dem eintretendcn oder hinaus-
schreitendcn Gaste ein dazumal gewiß höchst kostbares und gc-
! heim gehaltenes Haus- oder vielmehr Sympathie-Mittel'')
zu gläubiger Würdigung und heilsamer Nutznießung, wie der-
artige Rcmedien und Geheimmittel ja auch noch heut zu Tage
— auf dem freilich mittelbareren, aber zeitgemäß lucrativeren
Wege'') der Presse — besonders mit liebenswürdiger Con-
sequenz in der Augsburger Allgemeinen Zcitnng ' '), oder
') „Fliegende Blätter" Nro. 761 Seite 34. *) „Taschcnbüch-
letn der Jagdsprachc von Joh. Gottsr. Lcntncr" zweite Auflage 1833
S. 37. ') Pipping Henr. „Arcana Bibliothecae TJioraanac Lip-
siensis sacra. Lips. 1730.“ S. 1122. * 4) Koremann's „Nachträge
I zur Sibylle der Zeit". S. 3. 5) Schcller's „lateinisch-deutsches Lcricon",
: (S. Titelblatt.) 6) „Journal etranger, combine avec l’Annee lit-
teraire“. Amsterd. 1762. Tom. 4, pag. 551 — 613. 7) „München"
von den Gebrüdern Margraff S. 7. s) „Die Wunder des Meeres"
! von Littrow. S. 48. °) „Heine über Börne". S. 11. '") „Obr. Act.
i Klotzii Acta litteraria“. Altenb. 1764 — 76. Tom. VI. S. 43. ")
: „Hufcland's Kunst, das menschliche Leben zu verlängern". S- 19. ") „Da
! öliirem'a o sla nnovo Giomale dei Letterati d’Italia“, @.20; „Re-
| lationes de libris novis“, Goetting. 1752 — 55. S. 88 und „Vater-
i landsche Letteröffeningen“, Amsterd. 1761. Tom. III. pag. 573.
j ,3) Siebe Beilage zur Allgcm. Zeitung vom 10. Januar 1860: „Be-
! trachtungcn über daö deutsche Ehrgefühl und die Spielhöllen", und ebendas,
pag. 163: „Wintersaison in Bad Homburg vor der Höhe".
sonst einem charaktervollen Tagblatte der Gegenwart, gleich-
falls dem Hause und der Familie als längst gefühltes Bc-
dürfniß wohlwollend ancmpfohlen zu werden pflegen.
Die Inschrift, über welcher die Gestalten eines statt-
lichen schreitenden Bären') und einer anmuthig ruhenden
Venus (der capitolinischcn und knidischcn mit absichtlich dcge-
ncrirender Modestie nachempfunden'), mit stylvollcm Griffel
eingegraben^) sind, und in drastischer Analogie wieder mit
den naturwüchsig heiteren Bildwerken auf unseren heut zu Tage
noch üblichen, sogenannten Bauern-Kalcndcrn congruircn'') —
ist glücklicherweise so wenig von der rollenden Flucht der Jahr-
tausende berührt worden, daß das nur einigermaßen geweihte
Auge des Archäologen sie nahezu blos abzulesen braucht, um
seinen Geist sinnend und forschend an ein neues, wenn auch
noch thcilweise verriegeltes ehernes Thor») einer längst ent-
schwundenen Zeit zu führen. Wir wollen dieselbe (die weni-
gen vom Zahne der Zeit unliebsam benagten Stellen durch
unsere eigene Conjcktur ergänzt und darum in Klammer ge-
setzt!!) in ihrem Urtexte anbei für die gelehrte, sowie in
deutscher Ucbcrtragung für die übrige Welt") eben so freudig
als uneigennützig mittheilcn. Sic lautet:
I. Urtert:
8i n(omine) D(eorum) S(acrorimi) in
Urso Lyb(ico)
ens(es) quatuor
— dicunt fr(atres) — (qua)
agens i(nveniuntur)
e g(enere) felix t(er) be(atus)
iter hoc b(oc) ver(e) er(ubescens)
(simulque) lychen re(medium7) tac(ens) c(apiet)
(Un)io N(uminis) D(ivi) e(t) R(ei) P(ublicae)
h(oc) l(evi) i(tinere)
egcnd(is) e(rit) n(umerus) b(eatus).
Quinquaginta
aeterna ch(ronica)
stu(dentis) quinque virt(utes9)
e(x) s(inu) Y(eneris)
volv(unt) vi s(acra)
s(acri) N(uminis).
II. Wortgetreue deutsche Ucbcrtragung:
Wenn im Namen der heiligen Götter
in dem lybischen Bären
vier Schwerter (—so sagen die Brüder, —)
') „Führer, der, durch's Berner Oberland", S. 33. ') „Tbv bi-
bliographers manual of W. T. Lowndes“, Irnnd. 1834. S. 99.
3) „Wie die Alten den Tod darstclltcn", von G. E. Lessing. S. 25.
') „Rener Bauernkalender auf das Schaltjahr 1860." Innsbruck in der
Wagncr'schcn Buchhandlung. 5) „Ucbcr die Pflichten der Hausbesitzer",
von G. M. Zins. S. 1916. °) Humboldt's „KoömvS", II. Band,
S. 534. 7) Andere Lese-Variation: recens (?!) s) Andere Lcsc-Va-
riation: Prudenti? gaudenti? sudeuti? ludenti? deuti?— Welch ein
weites, unübersehbares Feld für eine bereits untcr der Presse befindliche
größere „kleine Druckschrift" über dieses hochwichtige antiquarische Uni-
cum. 9) „lieber die deutschen Burschenschaften", von G. H. Beller.
S. 21.
Pompesi in München.
mente, deren angeblich dortselbs! gemachte Entdeckung Herr Di'.
Grübeler in der letzten Nummer der „Fliegenden Blätter'")
zu publiciren für wichtig genug erachtet hat, — obgleich uns
dieser (abgesehen von einer — leider nur allzu oft erprimir-
ten gewissen frivolen Jmpietät gegen alles Bestehende) sonst
wackere, ernst fröhliche Waidmann auf vaterländischem Urgc-
j hege hier denn doch einmal wiederum auf falsche Fährte') ge-
rathcn zu sein scheint, — da gerade die von ihm angezogcnen
j mehr als fraglichen Bildwerke nach Styl und Schriftsatz höch-
stens bis an die zweite Hälfte des ersten Drittels des sechs-
zchntcn Jahrhunderts hinaufzuführcn sein dürften, trotz seines
(in seinem bekannten apodiktischen Wasserstiefel-Tone abgege-
benen) Protestes gegen die Zweifel einer „unwissenden Gcgen-
parthei" (?!!) — ist Schreiber dieses so glücklich, über einen
ebendortsclbst mit unglaublicher Mühe von ihm gemachten
hochwichtigen Fund, ein jene Dr. Grübeler'schcn Fiktionen'')
1 weit überragendes, unschätzbares Stück romano - germanischer
Culturgeschichtc umgehend berichten zu können. Es wird durch
denselben (dessen treueste rylo-photographischc Wiedergabe wir
j anbei folgen lassen) unsere moderne Anschauung der antiquir-.
; tcn Welt'!) pcnetrircnd reformirt und derselben ein bisher
nahezu ungeahnter wunderticfer Einblick in den häuslichen
Cultus des alten Roms in Germanien-') gegönnt, der die
| anziehendsten Reciprocitäts-Paralellcn") mit unserer jüngsten
: Gegenwart') und ihrem, jenem analogen, bürgerhäuslichen
j Cultus provocirt. Meine besagte Entdeckung ncmlich, eine
in überhöhter Quadratform aus Sandsteinschiefer^) gehauene,
mit Bildwerk und Inschrift versehene Tafel — dermaleinst
! offenbar im Atrium des Hauses (etwa über dem Waschbecken
! links9) ausgenagclt gewesen — empfiehlt in einem an die
zweite Stylcpoche des Tacitus merkwürdig anklingcnden, blüh-
! enden Latein'0) bcn Hausbewohnern sowohl, als auch (in
gastfreundlichster Großmuth) dem eintretendcn oder hinaus-
schreitendcn Gaste ein dazumal gewiß höchst kostbares und gc-
! heim gehaltenes Haus- oder vielmehr Sympathie-Mittel'')
zu gläubiger Würdigung und heilsamer Nutznießung, wie der-
artige Rcmedien und Geheimmittel ja auch noch heut zu Tage
— auf dem freilich mittelbareren, aber zeitgemäß lucrativeren
Wege'') der Presse — besonders mit liebenswürdiger Con-
sequenz in der Augsburger Allgemeinen Zcitnng ' '), oder
') „Fliegende Blätter" Nro. 761 Seite 34. *) „Taschcnbüch-
letn der Jagdsprachc von Joh. Gottsr. Lcntncr" zweite Auflage 1833
S. 37. ') Pipping Henr. „Arcana Bibliothecae TJioraanac Lip-
siensis sacra. Lips. 1730.“ S. 1122. * 4) Koremann's „Nachträge
I zur Sibylle der Zeit". S. 3. 5) Schcller's „lateinisch-deutsches Lcricon",
: (S. Titelblatt.) 6) „Journal etranger, combine avec l’Annee lit-
teraire“. Amsterd. 1762. Tom. 4, pag. 551 — 613. 7) „München"
von den Gebrüdern Margraff S. 7. s) „Die Wunder des Meeres"
! von Littrow. S. 48. °) „Heine über Börne". S. 11. '") „Obr. Act.
i Klotzii Acta litteraria“. Altenb. 1764 — 76. Tom. VI. S. 43. ")
: „Hufcland's Kunst, das menschliche Leben zu verlängern". S- 19. ") „Da
! öliirem'a o sla nnovo Giomale dei Letterati d’Italia“, @.20; „Re-
| lationes de libris novis“, Goetting. 1752 — 55. S. 88 und „Vater-
i landsche Letteröffeningen“, Amsterd. 1761. Tom. III. pag. 573.
j ,3) Siebe Beilage zur Allgcm. Zeitung vom 10. Januar 1860: „Be-
! trachtungcn über daö deutsche Ehrgefühl und die Spielhöllen", und ebendas,
pag. 163: „Wintersaison in Bad Homburg vor der Höhe".
sonst einem charaktervollen Tagblatte der Gegenwart, gleich-
falls dem Hause und der Familie als längst gefühltes Bc-
dürfniß wohlwollend ancmpfohlen zu werden pflegen.
Die Inschrift, über welcher die Gestalten eines statt-
lichen schreitenden Bären') und einer anmuthig ruhenden
Venus (der capitolinischcn und knidischcn mit absichtlich dcge-
ncrirender Modestie nachempfunden'), mit stylvollcm Griffel
eingegraben^) sind, und in drastischer Analogie wieder mit
den naturwüchsig heiteren Bildwerken auf unseren heut zu Tage
noch üblichen, sogenannten Bauern-Kalcndcrn congruircn'') —
ist glücklicherweise so wenig von der rollenden Flucht der Jahr-
tausende berührt worden, daß das nur einigermaßen geweihte
Auge des Archäologen sie nahezu blos abzulesen braucht, um
seinen Geist sinnend und forschend an ein neues, wenn auch
noch thcilweise verriegeltes ehernes Thor») einer längst ent-
schwundenen Zeit zu führen. Wir wollen dieselbe (die weni-
gen vom Zahne der Zeit unliebsam benagten Stellen durch
unsere eigene Conjcktur ergänzt und darum in Klammer ge-
setzt!!) in ihrem Urtexte anbei für die gelehrte, sowie in
deutscher Ucbcrtragung für die übrige Welt") eben so freudig
als uneigennützig mittheilcn. Sic lautet:
I. Urtert:
8i n(omine) D(eorum) S(acrorimi) in
Urso Lyb(ico)
ens(es) quatuor
— dicunt fr(atres) — (qua)
agens i(nveniuntur)
e g(enere) felix t(er) be(atus)
iter hoc b(oc) ver(e) er(ubescens)
(simulque) lychen re(medium7) tac(ens) c(apiet)
(Un)io N(uminis) D(ivi) e(t) R(ei) P(ublicae)
h(oc) l(evi) i(tinere)
egcnd(is) e(rit) n(umerus) b(eatus).
Quinquaginta
aeterna ch(ronica)
stu(dentis) quinque virt(utes9)
e(x) s(inu) Y(eneris)
volv(unt) vi s(acra)
s(acri) N(uminis).
II. Wortgetreue deutsche Ucbcrtragung:
Wenn im Namen der heiligen Götter
in dem lybischen Bären
vier Schwerter (—so sagen die Brüder, —)
') „Führer, der, durch's Berner Oberland", S. 33. ') „Tbv bi-
bliographers manual of W. T. Lowndes“, Irnnd. 1834. S. 99.
3) „Wie die Alten den Tod darstclltcn", von G. E. Lessing. S. 25.
') „Rener Bauernkalender auf das Schaltjahr 1860." Innsbruck in der
Wagncr'schcn Buchhandlung. 5) „Ucbcr die Pflichten der Hausbesitzer",
von G. M. Zins. S. 1916. °) Humboldt's „KoömvS", II. Band,
S. 534. 7) Andere Lese-Variation: recens (?!) s) Andere Lcsc-Va-
riation: Prudenti? gaudenti? sudeuti? ludenti? deuti?— Welch ein
weites, unübersehbares Feld für eine bereits untcr der Presse befindliche
größere „kleine Druckschrift" über dieses hochwichtige antiquarische Uni-
cum. 9) „lieber die deutschen Burschenschaften", von G. H. Beller.
S. 21.