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Uhren -Hüblcr.

dcs kindlich liebenden Andenkens, wie Beweise der guten und
glücklichen Umstände der Kinder — so wurden sie oben in der
Staatsstube in Glasschränkcn verwahrt. Da oben standen nun
schon drei solcher Schränke, die Lust und der Stolz dcs alten
Hüblers. — Vater und Mutter genossen seit dem Tage, da
sie zum erstenmal hier im Stübchen unten mit einander gc-
frühstückt, ihren Cichorientrank aus irdenen Tassen und schenk-
ten sich aus einer braunen Kaffeekanne ein, oben aber waren
unter Glas die schönste», wcißcstcn, goldgeränderten Porzellan-
Service zu sehen. Taffen mit Ansichten aus aller Herren
Länder, Tassen mit geistreichen Devisen in Goldschrist,
Tassen in allen nur erdenklichen geschmackvollen Formen.
Die Mutter kochte, wie am ersten Tage ihrer Wirthschast,
so noch jetzt, den braunen Frühstücksnektar am Herd, oben
aber glänzten in strahlendem Messing Kaffeemaschinen in allen
Formen und obschon noch immer die braune irdene Zuckerbüchse
mit den Duodez-Zuckerstückchen zum „im Mund nehmen" auf
dem Frühstückstische stand, so prangte doch oben ein ganzes
Sortiment von Zuckerdosen und Schalen in Silber, geschliffenem
Glase und anderen Stoffen in den Putzschränkcn. — Hüblcr
schrieb nach wie vor seine Notizen und Rechnungsabschlüsse
mit Kreide an die Kammerthür, und wenn er Geld in die
Stadt oder auf's Amt zu tragen hatte, so band er es noch
immer in einen Tuchzipfel ein, oben aber im Putzschränkchen
zeigte eine Schaar Notizbücher, sowie Brief- unv Geldtaschen,
mit allen möglichen Arten künstlichen Verschlusses, ihre glän-
zende, perlengestickte, arabcskenartig verzierte Außenseite und
die crstcrcn bargen hinter dem glänzenden Acußercn die trost-
lose Leere einer Fülle unbeschriebener Blätter; mit einem Wort:
die Glasschränke oben beherbergten eine Menge geschmackvoller
kostbarer Gegenstände der verschiedensten Art, alle aber seuf-
zend unter der Last eines verfehlten unnützen Daseins. —
Bekam Hüblcr aber einmal Besuch, dann führte er seinen
Gast mit väterlichem Stolze hinauf in die Staatsstubc vor
die Glasschränke, zeigte jedes Stück vor und berichtete dabei
des Breiteren, wenn er das bekommen, von welchem seiner
Söhne, wie cs dem Jungen so außerordentlich zur gehe, welche
Ehre der genieße, und was er zu verzehren habe. „Seht, die
Tasse da hat mir der Franz aus Lschatz geschickt, der hat
nun schon lange sein eigenes Geschäft, und vier Leute hat er
unter sich in seinem Dienst, und gehcirathct hat er vor drei
Jahren ein ganz reiches schönes Mädchen. Es haben sie viele
gewollt, ganz reiche, vornehme Leute, ein Assessor, ein Doktor
und zwei Lieutenants, der eine soll gar ein Graf gewesen
sein, aber sie hat nur meinen Franz gewollt, sie hat gesagt:
der ist mir lieber als alle anderen zusammen! Und das war
einmal eine Hochzeit, na, das hättet Ihr seh'n sollen! Ja,
und hier die schöne Reisetasche, die Hab' ich von meinem
Wilhelm — aber daß ich's nicht vergesse, voriges Jahr haben
sie den Franz gar zum Stadtverordneten gemacht, denkt
Euch nur in so einer Stadt! da sitzt er und wenn etwas
gemacht oder gebaut werden soll, da hat er auch ein Wort
d'rein zu reden und will cr's nicht, daß es werden soll, da
wird's auch nicht, sie mögen partu machen, was sie wollen! Ja,

und die Tasche, die hat mir der Wilhelm geschickt, das war
vor drei Jahren, da war er gerade nach Leipzig gekommen,
in ein ungeheures Geschäft und nun denkt Euch einmal, be-
kommt der Junge richtig schon monatlich seine fünfunddreißig
Thalcr!"

So konnte der Alte stundenlang erzählen, seinen Gast
zur Verzweiflung bringend, und die verschiedenen Präsente
waren die Notiztafeln, von welchen er die glücklichen Ereignisse
im Leben seiner Kinder ablas.

Vor ungefähr zehn Jahren aber war einmal ein rechter
Festtag gewesen im Hübler'schcn Hause. Da hatten sich die
vier Brüder unter einander schriftlich verabredet, das; sie alle
an einem Tage bei den Eltern zusammen kommen wollten;
es machte sich gerade, 's war wohl eben eine flaue Zeit im
Geschäft, so daß sie abkommcn konnten.

Was das für ein Leben war in dem engen heimlichen
Stübchen, als die Jungen, jetzt alle modische Herren, überall
herumsaßen und erzählten, besser und ausführlicher, als cs
in Briefen geschehen konnte, und der Alte, in schneeweißen
Hemdsärmeln, mitten unter ihnen, mit dem ehrlichen Gesicht,
aus dem die süße Vatcrfrcude hcrvorlcuchtete, wie ein sonnen-
verklärtcr Herbsttag. — Das ganze Dorf war herbcigcrufen
worden, um die Jungens zu sehen, und keiner getraute sich
recht, die vornehmen Herren anzureden, unv alle starrten in
dumpfer Verwunderung den Hüblcr an, der so kurzweg mit
den Herren redete, die doch alle so städtisch gingen und sich
gar in seidene Tücher schneutzten! Und Mutter Hüblcr stand
den lieben langen Tag ain Herde und kochte und backte, und
machte einen Kaffee um den andere», und drinnen saßen die
Söhne und thaten ihr möglichstes im Essen und Trinken und
doch der guten Mutter »och nicht genug. — „Karl, 's schmeckt
Dir wohl nicht mehr! Du bist's besser gewohnt, ich weiß cs
schon!" sagte sie. — „Mütterchen!" cntgcgnctc dieser freund-
lich, aber mit einem unterdrückten Seufzer, „wenn Ihr nur
wißtet, wie viel ich schon gegessen habe, ich kann nicht mehr!
Es schmeckt mir herrlich, aber 's ist kein Platz mehr da!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Uhren-Hübler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Zusammenkunft
Speise <Motiv>
Neugier <Motiv>
Stolz <Motiv>
Stube
Sohn <Motiv>
Karikatur
Kind <Motiv>
Mutter <Motiv>
Vater <Motiv>
Familie <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 765, S. 66
 
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