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Uhren-Hübler.

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lung der Geschenke von den Kindern. Der Vater ließ cs sich
nicht nehmen, diese selbst aus ihren Holz- und Strohhüllen zu be-
freien, und es waren immer Augenblicke der angenehmsten Er-
wartung, wenn der Deckel des Kästchens dem Stemmeisen ge-
wichen war, und die prüfende Hand in dem Stroh wühlte
und schon im Voraus durch das Gefühl zu errathcn suchte,
was wohl des Kistchens Kern sein möchte.

Die aus Heu und Stroh glänzend hcrvorgehenden Prä-
sente fanden dann auf dem Tische Platz, und während die guten
Alten frühstückten — Hübler las dabei die Begleit- und Be-
glückwünschungsschreibcn der Söhne vor — schauten beide scelcn-
vcrgnügt hin und wieder nach dem Geburtstagstische und
freuten sich der schmucken glänzenden Zeichen des Wohlseins .
und der Liebe ihrer entfernten Kinder. — Später kamen
dann die neugierigen Dorfbewohner, um zu sehen, was denn j
diesmal wieder Hüblcrs Jungen geschickt hätten, und betrachteten j
mit Bewunderung und Neid die kostbaren Dinge, von denen
die Meisten kaum wußten, was sie vorstcllcn sollten, und wozu
man sic gebrauchen könnte. Das waren dann Stunden eines
süßen Eltcrnstolzes für die Alten und Hübler erzählte, zum
Gott weiß wie vielsten Male, von seinem Franz, wie gut dessen j
Geschäft gehe und daß er Stadtverordneter sei, und vom Fritz
in Wurzen, daß der nun auch geheirathct habe, und vom
Karl, wie der nächstens ein eigenes Geschäft anfangen werde,
er habe schon Viele, die ihm ihre Kundschaft zugesagt, und
daß der Wil'm wieder zehn Thalcr monatlich zugclcgt bekommen
habe, und dann wurde den Leuten ins Gedächtniß zurückgerufcn,
was die Jungen voriges Jahr und vor zwei Jahren und vor noch
längerer Zeit geschickt hätten, und die meisten mußten schließ-
lich mit hinauf in die Staatsstube und nach den neuesten Prä-
senten auch die der vorigen Jahre anschauen und bewundern.
So ging eö regelmäßig alle Jahre und so sollte cs natürlich
auch dies Jahr gehen.

Schon am Abend vorher, als die Mutter die Blumen-
sträuße band, hatte der Uhrmacher aus der Stadt die bewußte
! Uhr geschickt, ein wahres Prachtstück, und nun stand sie auf
dem gedeckten Tische zwischen den Blumensträußen und man
i wußte nicht, nahmen sich die wirklichen Blumen schöner aus,
oder die auf dem Zifferblattc. Die Gewichte und der Perpen-
dikel, dessen Scheibe wie Gold glänzte, lagen daneben und
wie Schlangen wanden sich die Gcwichtkctten auf dem weißen
Tischtuch hin. — Jetzt war'S so weit, daß der Vater Hübler
hcrcinkommcn konnte. Welche Ucberraschung! Der Vater that,
als wäre er aus den Wolken gefallen über den Einfall der
Mutter, ihm eine neue Wanduhr zu kaufen. „Ei, ei! Mutter!"
sagte er, „was machst Du mir für Streiche! Eine Uhr! Du
so was! Aha, deßhalb sollte ich immer noch zusehen mit der
alten! Ei, Du bist mir die Rechte! Ne, eine Uhr! Na, die
wird sich aber dort einmal gut ausnehmcn? Ja du alte gute
Uhr da oben," fuhr er fort zu der kranken gewendet, die in
trüb>eligcm Schweigen in den festlichen Morgen hincinstarrte,
„jetzt mußt du schon Platz machen, hast lang genug gedient,
du alte treue Seele! 'ö geht uns allen so, endlich machen
auch wir Platz für das junge Volk! Du sollst nun die Ruhe

genießen! Die wird sich aber einmal gut ausnchmen, Mutter,"
fuhr er fort, „und gerade so groß ist sie, wie die alte, sic ist
wie gemacht für die Ecke dort!" — „Und gut soll sic gehen,"
fiel die Mutter ein, „das hat mir der Meister Rcbel heilig
versichert, wir könnten uns daraus verlaffen, cs sei alles von
Messing inwendig!" Nachdem sich Vater Hübler hinreichend
über die neue Uhr gefreut, sie ringsherum betrachtet, die
Thürlcin an den Seiten geöffnet und in's Werk hincingeschaut,
wobei er versicherte, die Uhr müsse gut gehen, das sehe man
ja gleich, das wäre Alles so akkurate Arbeit, schritt man zur
Enthüllung der eingelaufenen Präsente.

Da standen vier Kistchen, zwei fast guadratförmige, ein
flaches und ein länglich schmales. Es war Regel, die Kistchen
nach dem Alter der Absender zu öffnen, so daß Franzens Ge-
schenk zuerst an die Reihe kam. — „Mutter, lang' mir mal
das Stemmeisen und den Hammer," sagte Hübler, „nun wollen
wir einmal sehen, was mir die Jungen heute cingcpackt haben!
So, das kommt von Dschatz, das ist vom Franz, das mag
zuerst an die Reihe! 'S ist ein Glas darauf gemalt," fuhr er
fort, „'s muß was zerbrechliches drinn sein; ob's vielleicht
wieder ein Kaffeegeschirr ist?" — das Stemmeisen drang unter
den Deckel, und ächzend und knarrend hob sich derselbe und
wich nur widerwillig der Macht des Eisens. Jetzt war er ent-
fernt, und eine Fülle von Heu und Papicrschnitzcln quoll den
Erwartungsvollen entgegen. Behutsam fuhr die Hand in das
Heu hinein und tastete und fühlte, und erwartungsvoll mit
leuchtenden Mienen stand die Mutter daneben und war ge- !
spannt, was der Vater hcrauSziehen würde. In Hüblcrs Ge-
sicht aber malte sich, als er in der Verpackung herumtastctc,
eine leichte Bestürzung. — „Nun Vater, was ist's?" fragte
Mütterchen neugierig; schweigend hob der Vater einen mit
seinem Papier umhüllten Gegenstand hervor, und als die letz-
ten Hüllen fielen, zeigte sich eine schöne Stutzuhr in elegantem
Gehäuse von Palisanderholz mit ausgelegter Arbeit von Perl-
mutter. — „Eine Uhr!" sagte kleinlaut Vater Hübler und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Uhren-Hübler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Uhr <Motiv>
Geschenk <Motiv>
Karikatur
Spannung
Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 766, S. 74
 
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