126 Vorlesungen des berühmten Dr. Schnabelwitz über Länder- und Völkerkunde,
und moderne Naturwissenschaft.
(Schluß.)
Bei dcn gegenwärtigen Konstellationen dürfte eS nicht
unangemessen sein, statt eines Diplomaten einen Phrcnologen
als Gesandten nach Paris zu schicken, um dem Kaiser —
zwar nicht auf den Puls oder aus den Zahn — sondern
auf dcn Kopf zu fühlen, damit man ein- für allemal in'S
Klare käme, wieweit bciJhm der „Verheimlichungssinn"
und der „Erwerbssinn" bis dato ausgebildet sei. Zu dieser
hohen Sendung dürfte gewiß Niemand geeigneter sein, als
der vr. Scheve, und ich bin überzeugt, daß er sich seiner
Mission auf's Ehrenvollste entledigen und uns über die Un-
durchdringlichkeit des Undurchdringlichen gewiß werthvolle und
interessante Ausschlüsse hinterbringen würde, welche die Welt
mehr intcrcssiren würden, als alle diplomatischen Unter- und
Verhandlungen. Ich zweifle keinen Augenblick, daß der Kaiser
loyal genug wäre, sich diesen phrcnologischcn Erperimenten zu
unterziehen, indem er ja nachher immer wieder machen könnte,
was er wollte.
Auch die Geschichte, Vcrehrtcste, muß in den Kreis unserer
Betrachtung gezogen werden, denn ohne Menschen gibt cs
keine Geschichte, ohne Geschichte keine „vollendeten Thatsachcn",
und ohne alles dieses kein — Weltgericht. Zwar dieses letztere
würden uns diejenigen, welche so gerne Geschichte machen,
wohl überlassen, allein cs gehört ebenso zum schönen Ganzen,
wie Ursache und Wirkung, Grund und Folge. Die Geschichte
ist nichts Anderes als die Zukunft von Vergangenheit und
Gegenwart. Hätten wir vor einem Jabrc gewußt, was wir
jetzt wissen, so hätten wir die Geschichte zum voraus gewußt,
und _ hätten sie vielleicht vermeide» können. Eine Geschichte
ist aber erst das, was geschehen ist und nicht das, was ge-
schieht. Sic ist immer erst zukünftig, kommt später und das
Weltgericht kommt noch später, d. h. erst wenn die Mensch-
heit klug wird — und wie lange wird das noch gehen?
Jedenfalls bis zum Anfang des goldenen Zeitalters! Hie und
da ist es auch noch früher gekommen, che die Menschen klug
waren, dann ist es wieder verschwunden, gleich einem Stern
in der Nacht, wenig beachtet und bald wieder vergessen! Aber
es kommt wieder und wir werden es wieder sehen, und wie
wir hoffen, nicht in Feuer und Flammen, sondern im Säuseln
des Windes — denn Glück, Bildung und Wohlstand werden
sein Geleite sein! —
Die Geschichte hat cs hauptsächlich mit der Erde zu thun,
weßhalb wir das Universum, als für unsere Zwecke zu unbe-
deutend, nicht berücksichtigen können. Es gibt zwar auch noch
Völker und Nationen, welche ihre Blicke höher richten, als
wir prosaisch „zivilisirte" indogermanische Völker. So haben
die Türken den Mond zum Symbol, weil er alles mit einem
mystischen Halbdunkel umgibt und das goldene Licht des Tages
scheut. Auch richten sie bei ihren Andachtsübungen beständig
ihr Gesicht nach Mekka, von wannen ihnen keine Hilfe kommt,
außer wenn der Lesscps die Durchstechung der Landenge von Suez
mit oder ohne Protestatio» der Engländer noch zu Stande bringt.
Andere Völker, zum Beispiel die Parsen, sind Feuer-
Anbeter, was bei uns auch wieder nicht der Fall ist, weil
wir das Feuer nur zu praktischen Zwecken, zum Heizen,
Kochen und dergl. nothwcndigen Dingen verwenden. Es gibt
aber auch Leute, die „Feuer anlcgcn," was man Brandstifter
heißt, von wegen weil es schlechte Leute genug gibt, welche die
Welt gern in Feuer und Flammen sehen möchten, wenn nur
sie mit heiler Haut davonkommcn, was von rcchtswegen nicht
immer der Fall ist. Die Perser beten die Sonne an, und
betrachten sic als Symbol des Lichtes und der Erleuchtung,
während sie, wie die Türken, den Halbmond im Schilde führen.
Wir führen gar nichts mehr im Schilde, außer etwa zahmes
und wildes Gethicr, als da sind: Raubvögel, einfache und dop-
pelte Adler, Löwen, Bären, Eber u. a. m. Tauben und
Schlangen werden meines Wissens auf keinem Schilde geführt,
weil die einen ein Verstoß gegen unsere kulturhistorischen und
sozialen Zustände sein würden, die Andern dagegen allzu deut-
lich sprechen dürften.
Verehrtcstc, zur Geschichte gehört notwendig auch die
Geographie, und da cs eine „unerbittliche Logik der That-
sachen" ist, daß der Sprachstamm das erste Kennzeichen einer
und moderne Naturwissenschaft.
(Schluß.)
Bei dcn gegenwärtigen Konstellationen dürfte eS nicht
unangemessen sein, statt eines Diplomaten einen Phrcnologen
als Gesandten nach Paris zu schicken, um dem Kaiser —
zwar nicht auf den Puls oder aus den Zahn — sondern
auf dcn Kopf zu fühlen, damit man ein- für allemal in'S
Klare käme, wieweit bciJhm der „Verheimlichungssinn"
und der „Erwerbssinn" bis dato ausgebildet sei. Zu dieser
hohen Sendung dürfte gewiß Niemand geeigneter sein, als
der vr. Scheve, und ich bin überzeugt, daß er sich seiner
Mission auf's Ehrenvollste entledigen und uns über die Un-
durchdringlichkeit des Undurchdringlichen gewiß werthvolle und
interessante Ausschlüsse hinterbringen würde, welche die Welt
mehr intcrcssiren würden, als alle diplomatischen Unter- und
Verhandlungen. Ich zweifle keinen Augenblick, daß der Kaiser
loyal genug wäre, sich diesen phrcnologischcn Erperimenten zu
unterziehen, indem er ja nachher immer wieder machen könnte,
was er wollte.
Auch die Geschichte, Vcrehrtcste, muß in den Kreis unserer
Betrachtung gezogen werden, denn ohne Menschen gibt cs
keine Geschichte, ohne Geschichte keine „vollendeten Thatsachcn",
und ohne alles dieses kein — Weltgericht. Zwar dieses letztere
würden uns diejenigen, welche so gerne Geschichte machen,
wohl überlassen, allein cs gehört ebenso zum schönen Ganzen,
wie Ursache und Wirkung, Grund und Folge. Die Geschichte
ist nichts Anderes als die Zukunft von Vergangenheit und
Gegenwart. Hätten wir vor einem Jabrc gewußt, was wir
jetzt wissen, so hätten wir die Geschichte zum voraus gewußt,
und _ hätten sie vielleicht vermeide» können. Eine Geschichte
ist aber erst das, was geschehen ist und nicht das, was ge-
schieht. Sic ist immer erst zukünftig, kommt später und das
Weltgericht kommt noch später, d. h. erst wenn die Mensch-
heit klug wird — und wie lange wird das noch gehen?
Jedenfalls bis zum Anfang des goldenen Zeitalters! Hie und
da ist es auch noch früher gekommen, che die Menschen klug
waren, dann ist es wieder verschwunden, gleich einem Stern
in der Nacht, wenig beachtet und bald wieder vergessen! Aber
es kommt wieder und wir werden es wieder sehen, und wie
wir hoffen, nicht in Feuer und Flammen, sondern im Säuseln
des Windes — denn Glück, Bildung und Wohlstand werden
sein Geleite sein! —
Die Geschichte hat cs hauptsächlich mit der Erde zu thun,
weßhalb wir das Universum, als für unsere Zwecke zu unbe-
deutend, nicht berücksichtigen können. Es gibt zwar auch noch
Völker und Nationen, welche ihre Blicke höher richten, als
wir prosaisch „zivilisirte" indogermanische Völker. So haben
die Türken den Mond zum Symbol, weil er alles mit einem
mystischen Halbdunkel umgibt und das goldene Licht des Tages
scheut. Auch richten sie bei ihren Andachtsübungen beständig
ihr Gesicht nach Mekka, von wannen ihnen keine Hilfe kommt,
außer wenn der Lesscps die Durchstechung der Landenge von Suez
mit oder ohne Protestatio» der Engländer noch zu Stande bringt.
Andere Völker, zum Beispiel die Parsen, sind Feuer-
Anbeter, was bei uns auch wieder nicht der Fall ist, weil
wir das Feuer nur zu praktischen Zwecken, zum Heizen,
Kochen und dergl. nothwcndigen Dingen verwenden. Es gibt
aber auch Leute, die „Feuer anlcgcn," was man Brandstifter
heißt, von wegen weil es schlechte Leute genug gibt, welche die
Welt gern in Feuer und Flammen sehen möchten, wenn nur
sie mit heiler Haut davonkommcn, was von rcchtswegen nicht
immer der Fall ist. Die Perser beten die Sonne an, und
betrachten sic als Symbol des Lichtes und der Erleuchtung,
während sie, wie die Türken, den Halbmond im Schilde führen.
Wir führen gar nichts mehr im Schilde, außer etwa zahmes
und wildes Gethicr, als da sind: Raubvögel, einfache und dop-
pelte Adler, Löwen, Bären, Eber u. a. m. Tauben und
Schlangen werden meines Wissens auf keinem Schilde geführt,
weil die einen ein Verstoß gegen unsere kulturhistorischen und
sozialen Zustände sein würden, die Andern dagegen allzu deut-
lich sprechen dürften.
Verehrtcstc, zur Geschichte gehört notwendig auch die
Geographie, und da cs eine „unerbittliche Logik der That-
sachen" ist, daß der Sprachstamm das erste Kennzeichen einer
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vorlesungen des berühmten Dr. Schnabelwitz über Länder- und Völkerkunde, und moderne Naturwissenschaft"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
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Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 772, S. 126
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg