Fliegende Blätter (32.1860 (Nr. 757-782))

Dinorerl ober die Wallfahrt in Hcmdärmcln.

139

Heute ist Donnerstag,

Hört den Donner, den Donner!

Zitternd lag einer auf dem Schräg
Und bittet den Erbenschoner.

Heute ist Freitag,

Viele sprechen frei;

Die Felder liegen brach
Gebt jedem ein Ei!

Heute ist Sonnabend

Ein Kranker schmachtet labend;

Sehet die Aurorensröthc,

Doch ergötzt ihn der Klang der Schalmaienflötc.

Hocl tritt aus.

Corentin: Gut, daß ihr kommt, muß euch gestehen,

Hab' keine Lust mehr mitzugehcn.

Was gestern in der Zeitung stand,

Hat mir die Freud' dazu verbannt.

(Mit zitternder Stimme.)

Denn wird Herr Baunscheidt abgcstraft,*)

Weil er in Lcbensweckcrn macht,

Wird solches denen auch passiren,

Die fernerhin ihn eonsultircn.

O nein, o nein, o nein, o nein,

Ich muß nicht beim Herrn Baunscheidt sein.

Legende.

Dinorerl: Der Polizei bleibt nichts verborgen,

Weil überall ihr Auge wacht,

Sic mcrkt's und hat es stets gcmorken,

So man vcrbot'nc Reisen macht.

Eorcntin: Ah ha! Was habe ich gesagt? Aber alle Leusel,
das Lied sollte ich kennen!

Dinorerl: Der Polizei bleibt nichts verborgen,

Weil überall ihr Auge wacht,

Und wer ihr trutzt, der kann sich
Freu'n auf fünfundzwanzig.

Corentin: Richtig, das ist das Lied, welches mir die vorige
Woche der lausige Rechtspraktikant zu Protokoll vorsang,
alö er mich wegen Ncbcrtretung der Polizei
verknurrtc, während er sich alle Tage beim
Stcrnwirth einen anduselt, (singt zitternd.)

Und wer ihr trutzt, der kann sich
Dinorerl: Freu'n auf fünfundzwanzig.

Corentin: Sic, Herr Verwalter, das Ding ge-
fällt mir nur halb. Ach denke, da behalte
ich lieber meine Hühneraugen, als daß ich
mich nochmal mit der Obrigkeit einlasse.

Duett.

Hocl: Jetzt ist der Kerl schon fast großvatcrich
Und hat noch solch 'neu Datterich.

Corentin: Geht nur ihr voran,

Ihr habt ja große Stiebcl an.

*) Baunscheidt wurde in Münster wegen medizinischer
Psuschcrci adgewandett.

H o e l (reicht ihm die Flasche):

Hier mach' 'mal einen kräft'gen Schluck,

Der treibt die Acngsten dir zarruck.

(während Corentin noch trinkt)

Heinrich, Heinrich, mir graut vor Dir,

Du säufst das Ding, als wär' cs Bier!

Halt' ein! Wie kommst denn du mir vor,

Ist das ein Schluck für einen Spicltenor?

: Corentin (sieht sich zitternd nach allen Seiten um, ob nicht die Diener
der Gerechtigkeit schon kommen):

O Herr, ich sterb' vor Bangen,

Schon wollen sic uns fangen!

O sehet doch den grimmigen Mann
Da vorn' dort auf der Straße an,

Wer mag er sein? Gebt mir die Deutung.

Hoel: Ein Fürst wird's sein,

Er liest die Allgemeine Zeitung.

Corentin: Aber dort, seht ihr die vielen Gestalten,

Unten grün und oben roth gehalten!

O weh' mir, weh' mir Armen,

Das sind gewiß Gcnsdarmen!

Hoel: Du Esel du, ich glaub' dich plagt die Trude,

Das sind ja Fräulein aus dem Institute.

(Ein heftiger Platzregen bricht loS.)

^ Dinorerl (mit einem Parapluie unter dem Arme):

Schau, schau, der dumme Regen,

An mir wär' nichts gelegen,

Der Geisbock doch, das arme Vieh,

Hat, wie ich glaub', kein Parapluie.

(Sie sieht de» Geisbock, wie er unter dem Vordachc der Spczcrcihand-
lung Schutz gegen den Regen sucht, läuft aus ihn zu, bietet ihm das
Parapluie an, glitscht aus und fällt durch daö Kellerloch in ein in dem
Keller stehendes Syrupfaß.)

Hoel (auf das Höchste erregt):

Wie kann man sein so tappig?

Jetzt wird die G'schicht' erst pappig.

(Stürzt ihr nach und verschwindet gleichfalls im Kcllerlochc.)

Chor der Geister verstorbener Gcisböckc:

Au weh, au weh, Au weh, au weh,

Die verstickt, die vcrstickt, Die vcrstickt g'wiß!

(Schluß folgt.)

18*