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Ratten als Ehestifter.

„Sie glauben doch etwa nicht, daß ich mich vor dem
Ungeziefer fürchte," fragte Winzendorf, feuerroth werdend. „Ich
behalte Ihr Logis nun gerade unter allen Umständen und
ziehe morgen mit dem Frühsten ein."

' Als sich die Beiden über den Preis geeinigt, ging der
Baron. Der Gerber blickte ihm kopfschüttelnd nach und
meinte zu seiner Gesellschaft gewandt:

„Bei mir will der närrische Kauz seine Rattenscheu ab-
thun, nun, meinethalben. Aber so ein großer, schöner Mann
und die Furcht! Unser Herrgott hat doch verschiedene Kost-
gänger."

Hurtig wie ein Kind lief Winzendorf die Treppe hinauf,
dem Schuster durch eine Handbewcgung andeutend, ihm zu
folgen und mit der Ratte vor der Zimmerthüre zu warten.

„Er wird sic zu Tode peinigen wollen," murmelte der
Schuster vor sich hin. „Ich kann das Ungeziefer zwar auch
nicht leiden, allein da sollte sie mich doch dauern."

In dem Zimmer des Rittmeisters sah es schön aus,
doch merkte er in seiner Aufregung die große Unordnung
gar nicht; die Vorhänge waren von den Fenstern gerissen
und zerzaust, ein paar Stühle umgeworfen, dichter Staub
erfüllte den ganzen Raum und doch war das Zimmer fest
verschlossen gewesen. Die Augen des Rittmeisters irrten
ängstlich umher, bis ein plötzlicher Freudenblitz über sein Ge-
sicht zuckte und Leben hinein brachte.

Auf dem Damastsopha lagen in einer Höhle, die dadurch
entstanden, daß der Ueberzug zerfetzt und die Roßhaare herauöge-
scharrt waren, die Urheber aller Schandthaten, zwei choco-
ladefarbige Affenpinscher mittlerer Größe mit äußerst klugen
Augen und martialischen Schnurrbärten und schauten so ver-
gnügt in die Welt, wie zwei neugebackene Fähnriche.

„Schnauze! und Schnurrbart!" hob der Baron an, die
Thiere zärtlich streichelnd, anstatt ihnen das Fell wegen der

begangenen Unthaten weidlich auszugerben. „Die Stunde
eurer Leiden ist um, ihr braucht euch die Zeit nun nicht
mehr auf so langweilige Art zu vertreiben wie hier — dabei
deutete er, die kleinen Schlingel auch noch bemitleidend,
auf die Zerstörung im Zimmer — nun sollt ihr herrlich
und in Freuden leben. Herein mit Deiner Ratte!"

Schon als die beiden Hunde das Wort „Ratte" hörten,
richteten sie ihre klugen Gesichter auf, als aber der Schuster
mit seinem Arrestanten eintrat, sprangen sie wie rasend vom
Sopha und an ihm in die Höhe, daß er ganz entsetzt seinen
Kasten fallen ließ und laut schreiend in eine Ecke flüchtete.
Im Sturze hatte sich die Falle geöffnet, die Ratte sprang
heraus, um im Augenblick von dem mit dem Namen Schnau-
ze! bezeichneten Hunde, der übrigens seinem Collegen Schnurr-
bart glich, wie ein Ei dem andern, erwischt, im Nu in
die Luft geworfen, wieder aufgefangen, abgeschüttelt und
tobt zu den Füßen des Barons hingelcgt zu werden. Sofort
inachte sich jetzt Schnurrbart über den Freund her, es er-
hob sich ein heftiges Raufen, das der Herr nur mit Mühe
schlichtete.

„Aber Schnauzet," tadelte der Rittmeister den Mörder,
der sich scheu unter das Sopha zurückzog, „weißt du nicht,
daß Schnurrbart an der Reihe war, ich werde dir dein
Gedächtnis' einmal mit der Flöte schärfen!" Vergnügt guckte
Schnurrbart bei diesen Worten nach einer an der Wand
hängenden Peitsche, die ihm nicht ganz unbekannt zu sein
schien, schrack aber gleich zusammen, als sein Herr sich an
ihn wendete:

„Und du Schnurrbart, Tropf, weißt du nicht, daß
du dir dein Recht nicht selbst verschaffen sollst, du willst
doch sonst stets ein gebildeter Hund sein! Ich werde dir
auch einmal eine Mazurka auf deinen Rücken veranstalten.
Warte du!" Auch Schnurrbart zog betrübt von dannen.

„Großer Gott! so ein Paar Bestien," sprach der
Schuster, Luft schöpfend. „Schnauze! und Schnurrbart
heißen sie?"

„Was schwatzest Du da?" herrschte Winzendorf. „Hast
Du jemals schönere Hündchen gesehen?"

„Ich habe eigentlich keinen Hundeverstand, aber wenn
die kleinen Herren ein bischen artiger wären, könnte ihnen
das nicht schaden."

„Du bist ein närrischer Kerl und hast eigene Ansichten.
Du glaubst wohl auch Deine Garderobe sei schön? He, an
Indigestionen scheinst Du mir auch nicht allzu sehr zu leiden.
Willst Du in meine Dienste treten? Sage zu, Schwielen
sollst Du bei der Arbeit nicht bekommen, aber sonst Alles,
was Du bedarfst."

Der Schuster willigte freudig ein und stolzirte am anderen
Morgen schon unter dem klassischen Namen Natzi in schöner
Livree in Mülheim einher.

(Fortsetzung folgt.)

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ratten als Ehestifter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Ratte
Schuhmacher
Pinscher
Falle
Karikatur
Hund <Motiv>
Baron
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 43.1865, Nr. 1044, S. 11

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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