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Aus dem vorigen Jahrhundert.
„Wer und was ich bin, kann Ihm gleich sein," lachte
der Fremde. „Nenne Er mir nur den Preis, den Er verlangt."
Der Bauer kratzte sich wieder hinter den Ohren, dann
überschlug er rasch den Werth der Sachen und kam bald zu
dem Resultat, daß dieselben mit neun Thalern gut bezahlt
seien und schüchtern nannte er deßhalb diesen Preis.
„Gut, ich kaufe Ihm für diese Summe Sein Bündel
ab," lautete die Erwiderung. „Hier hat Er Sein Geld,"
und der Fremde ließ dem erstaunten Kleinköthner Gebers einen
Doppellouisd'or in die geöffnete Hand fallen mit dein Be-
merken, daß der Bauer den überschießenden Thaler seiner Frau
schenken möge.
Der Mann wußte nicht, wie ihm geschah. Ein Trödler,
der über den geforderten Preis zahlte, war ihm in seinem
Leben noch nicht vorgekommen. Nichtsdestoweniger steckte er
das Goldstück in seine Tasche und sagte dem Fremden seinen
herzlichsten Dank für das Geschenk.
„Aber," fragte er dann den Käufer, der von Dank
nichts wissen wollte, „aber wünscht Ihr denn die gekauften
Sachen nicht einmal zu besehen?"
„Das ist unnöthig," entgegnete dieser. „Er hat ein
ehrliches Gesicht, und ich bin deßhalb fest überzeugt, daß Er
mich nicht betrogen. Bringe Er das Bündel jetzt nur nach der
Thorwache, die wir gleich erreicht haben werden, und gebe
Er es dort mit dem Bemerken ab, daß der „Alte" dasselbe
von Ihm gekauft habe, und dieser es später von dort abholen
lasten werde. Die Wache weiß dann schon Bescheid."
Während dieses Gesprächs hatten die Männer das Thor
der Stadt erreicht, und eben wollten sie in dieselbe einschreiten,
als der Posten vor der dort besindlichen Wache diese beim
Erblicken des Fremden mit lauter Stimme in's Gewehr rief.
Dem Bauern überkam bei solcher Wahrnehmung ein sonder-
bar ängstliches Gefühl, indeß der Fremde sehr kalt und ruhig
blieb, und dem Kleinköthner Gebers die Hand zum Abschied
reichend, ertheilte er diesem die Weisung, hier das Bündel
nur abzugeben. Dann schritt er an der Wache rasch vor-
über, und die Soldaten derselben präsentirten das Gewehr,
und das Spiel ward gerührt. Mehr als erstaunt blieb der
Bauer eine kleine Weile am Thore stehen und erst nachdem
die Soldaten sich wieder in die Wachtstube begeben, wagte er
sich dem auf- und niedergehenden Posten zu nähern, in wel-
chem er zu seiner großen Freude den Sohn seines Nachbarn,
des Großköthners Hinners in Vechelde, erblickte.
„Gu'n Morgen, Schorfe," begann er deßhalb vergnügt,
indem er dem Posten seine schwielige Hand zum Gruße ent-
gegenhielt, „gu'n Morgen, Schorfe! Was machst Du denn?
Geht Dir's gut?"
Der Soldat versuchte bei solch' cordialer Anrede eine
sehr grimmige Miene anzunehmen, die jedoch bald verschwand,
als er in dem Bauern den Kleinköthner Gebers, den Freund
seines Alten, erkannte.
„Gu'n Morgen, Vater Gebers," entgegnete er freund-
lich. „Was will Er denn hier in der Stadt schon so früh?"
„Ja, Junge, das ist 'ne lange Geschichte," erwiderte der
Alte. „Ich wollte eigentlich in der Stadt Geschäfte machen,
was nun nicht mehr nöthig ist, da ich dieselben bereits vor
der Stadt beendet habe und zwar mit dem Manne, für den
Du eben die Wache herausgerufen. Was ist denn das eigent-
lich für ein Kerl? Ich kenne ihn nicht. Dem geschieht ja
viel Ehre, ist wohl ein General. Was?"
„Schwatz' Er doch keinen Unsinn, Vater Gebers!" ver-
setzte der Posten. „Mit dem Herrn will Er Geschäfte gemacht
haben? Er ist wohl nicht recht klug! Was sollte denn der
Herzog mit Ihm zu verhandeln haben?"
„Wer spricht denn vom Herzoge?" entgegnete der Bauer
unwirsch. „Ich rede ja von dem Manne, vor dem die Wache
eben präsentirte."
„Na, den meine ich eben. Das ist ja der Herzog!"
„W—a—s, der — Her—zog?" stammelte der Alte
entsetzt.
„Nun freilich! Unser Herzog Karl Wilhelm Ferdinand."
Dem Bauern war's plötzlich, als wenn er einen Schlag
vor den Kopf empfangen. Daö Bündel entglitt seiner Hand
und die Arme fielen ihm am Leibe nieder, während seine
Miene einen mehr als verplüfsten Ausdruck annahm.
„Mein Gott, was ist Ihm denn?" fragte der Soldat
verwundert.
„Ach, Schorfe, wenn Du das wüßtest!" stöhnte der
Bauer.
„Was ist denn geschehen, Vater Gebers?"
„Ach Schorfe, wenn Du das wüßtest!"
„Na, so thue Er Sein Maul doch auf. Was ist
denn los?"
„Ach, Schorfe, wenn Du das wüßtest!"
Aus dem vorigen Jahrhundert.
„Wer und was ich bin, kann Ihm gleich sein," lachte
der Fremde. „Nenne Er mir nur den Preis, den Er verlangt."
Der Bauer kratzte sich wieder hinter den Ohren, dann
überschlug er rasch den Werth der Sachen und kam bald zu
dem Resultat, daß dieselben mit neun Thalern gut bezahlt
seien und schüchtern nannte er deßhalb diesen Preis.
„Gut, ich kaufe Ihm für diese Summe Sein Bündel
ab," lautete die Erwiderung. „Hier hat Er Sein Geld,"
und der Fremde ließ dem erstaunten Kleinköthner Gebers einen
Doppellouisd'or in die geöffnete Hand fallen mit dein Be-
merken, daß der Bauer den überschießenden Thaler seiner Frau
schenken möge.
Der Mann wußte nicht, wie ihm geschah. Ein Trödler,
der über den geforderten Preis zahlte, war ihm in seinem
Leben noch nicht vorgekommen. Nichtsdestoweniger steckte er
das Goldstück in seine Tasche und sagte dem Fremden seinen
herzlichsten Dank für das Geschenk.
„Aber," fragte er dann den Käufer, der von Dank
nichts wissen wollte, „aber wünscht Ihr denn die gekauften
Sachen nicht einmal zu besehen?"
„Das ist unnöthig," entgegnete dieser. „Er hat ein
ehrliches Gesicht, und ich bin deßhalb fest überzeugt, daß Er
mich nicht betrogen. Bringe Er das Bündel jetzt nur nach der
Thorwache, die wir gleich erreicht haben werden, und gebe
Er es dort mit dem Bemerken ab, daß der „Alte" dasselbe
von Ihm gekauft habe, und dieser es später von dort abholen
lasten werde. Die Wache weiß dann schon Bescheid."
Während dieses Gesprächs hatten die Männer das Thor
der Stadt erreicht, und eben wollten sie in dieselbe einschreiten,
als der Posten vor der dort besindlichen Wache diese beim
Erblicken des Fremden mit lauter Stimme in's Gewehr rief.
Dem Bauern überkam bei solcher Wahrnehmung ein sonder-
bar ängstliches Gefühl, indeß der Fremde sehr kalt und ruhig
blieb, und dem Kleinköthner Gebers die Hand zum Abschied
reichend, ertheilte er diesem die Weisung, hier das Bündel
nur abzugeben. Dann schritt er an der Wache rasch vor-
über, und die Soldaten derselben präsentirten das Gewehr,
und das Spiel ward gerührt. Mehr als erstaunt blieb der
Bauer eine kleine Weile am Thore stehen und erst nachdem
die Soldaten sich wieder in die Wachtstube begeben, wagte er
sich dem auf- und niedergehenden Posten zu nähern, in wel-
chem er zu seiner großen Freude den Sohn seines Nachbarn,
des Großköthners Hinners in Vechelde, erblickte.
„Gu'n Morgen, Schorfe," begann er deßhalb vergnügt,
indem er dem Posten seine schwielige Hand zum Gruße ent-
gegenhielt, „gu'n Morgen, Schorfe! Was machst Du denn?
Geht Dir's gut?"
Der Soldat versuchte bei solch' cordialer Anrede eine
sehr grimmige Miene anzunehmen, die jedoch bald verschwand,
als er in dem Bauern den Kleinköthner Gebers, den Freund
seines Alten, erkannte.
„Gu'n Morgen, Vater Gebers," entgegnete er freund-
lich. „Was will Er denn hier in der Stadt schon so früh?"
„Ja, Junge, das ist 'ne lange Geschichte," erwiderte der
Alte. „Ich wollte eigentlich in der Stadt Geschäfte machen,
was nun nicht mehr nöthig ist, da ich dieselben bereits vor
der Stadt beendet habe und zwar mit dem Manne, für den
Du eben die Wache herausgerufen. Was ist denn das eigent-
lich für ein Kerl? Ich kenne ihn nicht. Dem geschieht ja
viel Ehre, ist wohl ein General. Was?"
„Schwatz' Er doch keinen Unsinn, Vater Gebers!" ver-
setzte der Posten. „Mit dem Herrn will Er Geschäfte gemacht
haben? Er ist wohl nicht recht klug! Was sollte denn der
Herzog mit Ihm zu verhandeln haben?"
„Wer spricht denn vom Herzoge?" entgegnete der Bauer
unwirsch. „Ich rede ja von dem Manne, vor dem die Wache
eben präsentirte."
„Na, den meine ich eben. Das ist ja der Herzog!"
„W—a—s, der — Her—zog?" stammelte der Alte
entsetzt.
„Nun freilich! Unser Herzog Karl Wilhelm Ferdinand."
Dem Bauern war's plötzlich, als wenn er einen Schlag
vor den Kopf empfangen. Daö Bündel entglitt seiner Hand
und die Arme fielen ihm am Leibe nieder, während seine
Miene einen mehr als verplüfsten Ausdruck annahm.
„Mein Gott, was ist Ihm denn?" fragte der Soldat
verwundert.
„Ach, Schorfe, wenn Du das wüßtest!" stöhnte der
Bauer.
„Was ist denn geschehen, Vater Gebers?"
„Ach Schorfe, wenn Du das wüßtest!"
„Na, so thue Er Sein Maul doch auf. Was ist
denn los?"
„Ach, Schorfe, wenn Du das wüßtest!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus dem vorigen Jahrhundert"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1155, S. 65
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg