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10 Bestellungen werden in allen Buch- uud Kunst- Erscheinen wöchentlich ein Mal. Subscriptions-^ yrr
' Handlungen, sowie von allen Postämtern und HA ^ ^ preis für den Band von 26 Nummern 3 fl. 54 kr.^^'Mo.
Z e i t n n g s e r p e d i t i o n e n angenommen. od. 2 Rthlr. 5 Sgr. Einzelne Nummern 9 kr. od. 2'/, Sgr.
Er hat
An einem schönen, sonnigen Nachmittag des Monats
Mai im Jahre 1863 stand der Gutsbesitzer und Friedens-
richter Holm auf dem Balkon der ersten Etage seines statt-
lichen Wohnhauses, an dessen von Wirtschaftsgebäuden um-
gebenen Hof sich ein geschmackvoll angelegter Park und ein
umfangreicher Obstgarten schloß. Eine heitere Ruhe lagerte
auf der freundlichen Landschaft, welche sich vor Holms Blicken
ausbreitete, und der hoffnungsvolle Stand der Saaten, die
im reichsten Blüthenflor prangenden Obstbäume, sowie der
üppige Wuchs der Wiesen und Kleefelder hätte das Herz des
als tüchtiger Landwirth allgemein bekannten Friedensrichters
Wohl erfreuen können. Allein, dem war nicht so; Herr Holm,
^in großer, stattlicher Mann von fünfzig Jahren, dessen von
Mischer Luft und Sonnengluth gebräuntes Antlitz von einer
kräftigen Gesundheit zeugte, schaute finster auf die herrliche
Umgebung, und blickte von Zeit zu Zeit ungeduldig durch die
vfsenen Flügelthürcn des Balkonzimmers, als erwarte er, daß
kwrt Jemand cintrcten sollte.
Während aber der Friedensrichter da draußen seiner Ver-
stimmung nicht Herr werden konnte, saß dessen Gattin, eine
kleine, freundliche, etwas zur Corpulcnz sich neigende Frau,
mit dunklen, lebhaft glänzenden Augen, aus welchen Ruhe
und Herzensgütc hervorlcuchtete, in einem Scitcnzimmer neben
ihrer einzigen Tochter, einer neunzehnjährigen, schlanken Brü-
nette voll Jugendfrischc und Anmuth, über deren kleinem, rosigem
Mund heute ein Zug stiller Wehmuth schwebte, und deren schwarze,
stuchtglänzendc Augen sich wie Trost suchend nach der Mutter
wendeten, die eben ernst aber ermuthigend zu ihr gesprochen hatte.
„Nimm also Dein Häckelzeug und besuche auf einige
Stunden Pastors Anna," schloß jetzt die Mutter ihre Rede.
»Es ist besser, der Vater spricht heute nicht mit Dir, und i
sollte er nach Dir verlangen, so werde ich Dich entschuldigen." 1
Aktien.
„Aber laß Dich nicht einschüchtern, Mutter, wenn der
Vater heftig wird, denn wenn Du uns zur Seite stehst,
dann fürchte ich nicht, daß er lange grollt," rief Lina im
bittenden Tone, die Mutter küßend, und verließ das Zimmer,
diese aber sah ihr liebevoll nach und sprach: „ja, so geht es,
nun hat das arme Ding auch schon ihre Sorgen, und wird
vielleicht noch manche trübe Stunde haben, che sie wieder so
froh aufjubeln kann wie früher, da sie noch nicht wußte,
was das Herz so stürmisch bewegt. Dann aber ging sie zu
ihrem Gatten, legte traulich die Hand auf dessen Schulter
und rief: „Nun Holm, wie kommt es denn, daß Du, seit
Du aus der Stadt zurück bist, noch nicht ein freundliches
Wort an uns gerichtet hast."
Holm, der mit seiner Frau sehr glücklich lebte, und dem
das Wohl der Seinen ernst am Herzen lag, schätzte seine
Gattin wegen ihrer liebevollen Sorgfalt für ihn und Lina,
sowie wegen deren stets heiteren Stimmung und besonnenen
Handlungsweise sehr hoch und hatte oft den Beweis erhalten,
wie ihr richtiger Tact und vernünftiger Rath ihm manche
Unannehmlichkeit fern gehalten hatte. So gutmüthig er auch
war, so leicht hitzig und schroff wurde er denen gegenüber,
mit welchen er im geschäftlichen Leben zu verkehren hatte,
denn er hielt manchmal zäh an einem einmal gefaßten Be-
schluß, ging aber oft schnell auch zur entgegengesetzten Mein-
ung über, bewahrte sich jedoch trotz dieser kleinen Jnconsegucnz
immer den Ruf eines offenen, ehrlichen Charakters und war
in seinem häuslichen Leben, wenn er auch einmal ärgerlich
wurde, bald wieder zu versöhnen. Heute aber konnte der
ruhige und freundliche Blick seiner Gattin sein mürrisches
Gesicht nicht erheitern, und grollend antwortete er auf ihre
theilnahmvolle Frage:
„Unser Mädel macht mir Sorge, und ich begreife nicht,
is
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Z e i t n n g s e r p e d i t i o n e n angenommen. od. 2 Rthlr. 5 Sgr. Einzelne Nummern 9 kr. od. 2'/, Sgr.
Er hat
An einem schönen, sonnigen Nachmittag des Monats
Mai im Jahre 1863 stand der Gutsbesitzer und Friedens-
richter Holm auf dem Balkon der ersten Etage seines statt-
lichen Wohnhauses, an dessen von Wirtschaftsgebäuden um-
gebenen Hof sich ein geschmackvoll angelegter Park und ein
umfangreicher Obstgarten schloß. Eine heitere Ruhe lagerte
auf der freundlichen Landschaft, welche sich vor Holms Blicken
ausbreitete, und der hoffnungsvolle Stand der Saaten, die
im reichsten Blüthenflor prangenden Obstbäume, sowie der
üppige Wuchs der Wiesen und Kleefelder hätte das Herz des
als tüchtiger Landwirth allgemein bekannten Friedensrichters
Wohl erfreuen können. Allein, dem war nicht so; Herr Holm,
^in großer, stattlicher Mann von fünfzig Jahren, dessen von
Mischer Luft und Sonnengluth gebräuntes Antlitz von einer
kräftigen Gesundheit zeugte, schaute finster auf die herrliche
Umgebung, und blickte von Zeit zu Zeit ungeduldig durch die
vfsenen Flügelthürcn des Balkonzimmers, als erwarte er, daß
kwrt Jemand cintrcten sollte.
Während aber der Friedensrichter da draußen seiner Ver-
stimmung nicht Herr werden konnte, saß dessen Gattin, eine
kleine, freundliche, etwas zur Corpulcnz sich neigende Frau,
mit dunklen, lebhaft glänzenden Augen, aus welchen Ruhe
und Herzensgütc hervorlcuchtete, in einem Scitcnzimmer neben
ihrer einzigen Tochter, einer neunzehnjährigen, schlanken Brü-
nette voll Jugendfrischc und Anmuth, über deren kleinem, rosigem
Mund heute ein Zug stiller Wehmuth schwebte, und deren schwarze,
stuchtglänzendc Augen sich wie Trost suchend nach der Mutter
wendeten, die eben ernst aber ermuthigend zu ihr gesprochen hatte.
„Nimm also Dein Häckelzeug und besuche auf einige
Stunden Pastors Anna," schloß jetzt die Mutter ihre Rede.
»Es ist besser, der Vater spricht heute nicht mit Dir, und i
sollte er nach Dir verlangen, so werde ich Dich entschuldigen." 1
Aktien.
„Aber laß Dich nicht einschüchtern, Mutter, wenn der
Vater heftig wird, denn wenn Du uns zur Seite stehst,
dann fürchte ich nicht, daß er lange grollt," rief Lina im
bittenden Tone, die Mutter küßend, und verließ das Zimmer,
diese aber sah ihr liebevoll nach und sprach: „ja, so geht es,
nun hat das arme Ding auch schon ihre Sorgen, und wird
vielleicht noch manche trübe Stunde haben, che sie wieder so
froh aufjubeln kann wie früher, da sie noch nicht wußte,
was das Herz so stürmisch bewegt. Dann aber ging sie zu
ihrem Gatten, legte traulich die Hand auf dessen Schulter
und rief: „Nun Holm, wie kommt es denn, daß Du, seit
Du aus der Stadt zurück bist, noch nicht ein freundliches
Wort an uns gerichtet hast."
Holm, der mit seiner Frau sehr glücklich lebte, und dem
das Wohl der Seinen ernst am Herzen lag, schätzte seine
Gattin wegen ihrer liebevollen Sorgfalt für ihn und Lina,
sowie wegen deren stets heiteren Stimmung und besonnenen
Handlungsweise sehr hoch und hatte oft den Beweis erhalten,
wie ihr richtiger Tact und vernünftiger Rath ihm manche
Unannehmlichkeit fern gehalten hatte. So gutmüthig er auch
war, so leicht hitzig und schroff wurde er denen gegenüber,
mit welchen er im geschäftlichen Leben zu verkehren hatte,
denn er hielt manchmal zäh an einem einmal gefaßten Be-
schluß, ging aber oft schnell auch zur entgegengesetzten Mein-
ung über, bewahrte sich jedoch trotz dieser kleinen Jnconsegucnz
immer den Ruf eines offenen, ehrlichen Charakters und war
in seinem häuslichen Leben, wenn er auch einmal ärgerlich
wurde, bald wieder zu versöhnen. Heute aber konnte der
ruhige und freundliche Blick seiner Gattin sein mürrisches
Gesicht nicht erheitern, und grollend antwortete er auf ihre
theilnahmvolle Frage:
„Unser Mädel macht mir Sorge, und ich begreife nicht,
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