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Die Kunst, zu borgen.

unsres Stammhauses haben die Adelsbczcichnung auch noch
bcibchalten. Da ist zum Beispiel in Berlin mein Vetter, der
Herr Hofrath von Beu—"

„Ich will von Ihrem Vetter nichts hören, sondern mein
Geld will ich haben und zwar auf der Stelle — mit Er-
laubnis zu sagen!" tobte immer zorniger Sperling, der sich
schon anfangs im Zimmer umgesehen hatte, ob nicht etwas
zu finden sei, was als Pfandobjekt des Mitnehmenö lohne;
leider waren aber Gegenstände von irgend einem leidlichen
Werthe nirgends zu erblicken. Aus diesem Grunde vergrö-
ßerte sich auch Sperlings Zorn mit jeder Minute, so daß
selbst der an nachdrückliche Mahnungen gewöhnte Beutelfeld
seine Gegcnbercdtsamkeit sich erschöpfen sah und ängstlich auf
ein außergewöhnliches Hilfsmittel dachte.

„Ich muß Ihnen allerdings gestehen," sprach Beutcl-
fcld, als Sperling eine kleine Pause zum Athemholen in seiner
vorwurfsvollen Rede machte, „daß in der That augenblicklich
meine finanziellen Verhältnisse Manches zu wünschen übrig
lasten; aber daran ist theilö meine Gutmütigkeit, thcils
mein Unglück Schuld, welches mich in der letzten Zeit immer
verfolgt hat. Beim letzten Rennen habe ich durch Wetten,
die zu meinem Nachtheile auöschlugen, enorme Summen ver-
loren; des Rittmeisters von Rosenau Schimmelstute Elvira
hat mich allein um mehr als hundert Fricdrichsd'or gebracht,
aber ich hätte auch ebenso viel gewinnen müssen, wenn das
prächtige Thier sechs Pferdelängen vor dem Ziele nicht ge-
stürzt wäre. Sic waren doch ganz gewiß damals auch drau-
ßen beim Rennen, lieber Meister, und da werden Sie selbst
Zeuge dieses UnglücköfallcS gewesen sein."

„Ich schccre mich den Henker um Pferderennen," cnt-
gcgnete Sperling aufgebracht, „dazu läßt mir mein Geschäft
keine Zeit übrig und außerdem habe ich selbst genug umher-
zulaufen, daß ich manchmal auch Zusammenstürzen möchte,
wenn ich einem schlechten Schuldner vergeblich überall nach-
laufen muß." Bei diesen Worten warf Sperling einen so bedeut-
ungsvollen Blick auf Bcutelfeld, daß dieser gar nicht zweifel-
haft sein konnte, wie nur er ganz allein unter jenem schlechten
Schuldner zu verstehen sei.

„Denken Sie nur ja nicht, daß es mir in dieser Hin-
sicht besser geht, mein lieber Herr Sperling," versicherte Beu-
tclfeld mit einem vortrefflich gelungenen Seufzer; „schon feit
einem halben Jahre habe ich dem jungen Baron Schwarzen-
fels hundert Dukaten geborgt und trotz dessen Versprechungen,
mir nach vier Wochen jenes Geld bestimmt zurück zu geben,
habe ich dennoch bis heute auch noch nicht einen Groschen
von dem Baron empfangen."

„Dann gebe ich Ihnen einen guten Rath: Lasten Sie
Ihren Schuldner ohne Gnade und Barmherzigkeit cinstecken,
gerade so, wie ich cs noch heute mit Jhnenmachen werde,"
ries höhnisch der Schneidermeister, der seine ganze gewohnte
Sanftmüthigkeit verloren zu haben schien.

„Wie? Das wollten Sie thun? Sie könnten wirk-
lich so grausam sein!" sprach Bcutelfeld, über die gewaltige
Energie des Schneidermeisters erschreckend.

„Ja wohl! Das werde ich ganz bestimmt ausführen!" ;
versicherte Sperling. „Sie haben seit einem Jahre mich und
meine Leute, durch die ich Sic mahnen ließ, so schändlich
chikanirt, daß cs mir jetzt ein Vergnügen gewähren soll, Sie
— mit Erlaubniß zu sagen — im Schuldgcfängnistc sitzen
zu sehen."

„Dann kann ich aber noch viel weniger bezahlen," hielt
Bcutelfeld als triftigen Grund dem Meister entgegen.

„So soll cs mir wenigstens eine Genugthuung sein,
Sie allermindestens ein ganzes Jahr hinter Schloß und
Riegel zappeln zu lasten; auf die Unkosten soll es mir gar
nicht ankommen!"

Diese Drohung sprach Sperling mit so viel Nachdruck
aus, daß Bcutelfeld wirklich für seine nächste Zukunft ernst-
lich besorgt wurde. Seine Gedanken schweiften nach allen
Richtungen, um einen Ausweg aus dieser Trübsal, oder —-
was dasselbe sagen will — um eine Geldquelle zur Löschung
dieser brennenden Frage ausfindig zu machen, allein überall
starrte dem bedrängten Schuldenmachcr ein trostloses: un-
möglich! entgegen.

Sperling schien sich an dieser Verlegenheit seines Schuld-
ners zu weiden und jeder Regung des Mitleids hatte er für
heute den Weg zu seinem Herzen verschlossen. In Bcutel-
feld hingegen tauchte plötzlich ein Plan auf, der im höchsten
Grade kühn und verwegen zu nennen war; allein gerade dic
Absonderlichkeit jenes Planes schien den verzweifelten Schuld- |
ner zu reizen und ihn zu einer ganz außergewöhnlichen An-
strengung zu ermuthigen.

„Sic sollen Ihr Geld haben" rief er im Tone vollster
Ucberzeugung dem Schneidermeister zu.

„DaS haben Sie mir schon oft genug gesagt und den-
noch niemals Wort gehalten," sprach höhnisch Sperling.

„Nun denn — Sie sollen noch Heute, in einer Viertel-
stunde bezahlt werden," bethcuertc Beutelfeld.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Die Kunst, zu borgen"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Schneider
Brille <Motiv>
Wut <Motiv>
Hut <Motiv>
Forderung
Karikatur
Schulden
Konfrontation <Motiv>
Drohung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1164, S. 138

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